#11 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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f). R u n d b l i c k v o m A u s s i c h t s t u r m.
Für den mit guten Augen und für den Fernblick mit einem guten Glase aus- gerüsteten Beobachter gibt es auf der ganzen Insel keinen Punkt, der Be- lehrender und genußreicher wäre als der zum Aussichtsturm eingerichtete Wasserturm. Vor 20 Jahren stand hier noch ein hohes Balkengerüst, ein --Kaap-- Westkaap genannt im Gegensatz zum noch heute vorhandenen Nord- kaap nördlich vom Dorfe. Jedes Kaap trug damals am Gipfel ein Dreieck, das eine auf der Spitze, das andere auf der Grundlinie stehend. Wenn dann der Seemann aus weiter Ferne diese beiden Balkentürme mit dem Glase auf- fand, so sagten ihm diese beiden Landmarken mit unfehlbarer Sicherheit: Hier ist Langeoog. Heutzutage steht an Stelle des Westkaaps der Wasserturm, der nun zusammen mit dem noch vorhandenen Nordkaap ( jetzt ohne Gipfeldreieck ) die Landmar- ke von Langeoog bildet. Neben dem Aussichtsturm hat man einen Block aus grauem Granit mit den Buchstaben T.P. ( d.i. Trigonometrischer Punkt ) auf- gestellt, der an der Stelle eines hier füher vorhandenen kleineren Balken- turms mit Beobachtungstisch steht, einem trigonometrischen Punkte für die Landesvermessung. Jetzt steigen wir hinauf zum Turm. Oben am Auslug stehen wir 30 m über Flutnull.
Zu unseren Füßen breitet sich die Insel aus mit dem ( hier wenig sichtbaren ) Strande, Dünengalände, Dorf, Grünland und der Bahn zur Landungsbrücke, die wie da draußen auf der Reede deutlich erkennen. Fern im Osten jenseits der für uns von hier aus natürlich nicht sichtbaren Oßumer Balge erhebt sich die Insel Spieckeroog, auf der wir namentlich links in den Dünen die Villa Velhagen deutlich erblicken. Einen Aussichtsturm oder ein Tagesseezeichen ( Landmarke ) besitzt Spieckeroog nicht. Das hinter Spieckeroog liegende Wangeroog ist für uns nicht sichtbar. Rechts von Spieckeroog und Langeoog dehnt sich nun das weite Watt aus, in dem zur Ebbezeit die gelblichen, langgestreckten Sandbänke oder Platen sich breit machen, zwischen denen in den Balgen auch zur Zeit niedrigsten Wassers die Salzflut strömt. Vielleicht erspähen wir zur Ebbezeit auf den Sandbänken eine Gesellschaft von Robben oder Seehunden, die hier alsdann ein Luft- und Sonnenbad nehmen, um zu schlafen. Weiter schweift unser Blick hinüber zu europäischen Kontinent, dessen Küste wir auf einer verhältnismäßig lange Strecke von 50 km von Carolinensiel bis Norddeich zu überschauen vermögen.
Liegt auch noch die Küstenstrecke des oldenburgischen Wangerlandes für uns in nebelhaft umschleierter Ferne, so hebt sich bei gut sichtigen Wetter zuerst Carolinensiel mit seinen drei Windmühlen deutlich aus dem verschwommenen Bilde heraus. Es ist der öst- lichste Küstenort auf ostfriesischem Boden. Hier mündet die Harle, die dieser Landschaft den Namen des Harlingerlandes verliehen hat. An der Ausmündung der Harle gleich nörd- lich von Carolinensiel steigt man auf dem Dampfer über zur Überfahrt nach Wangeroog. Weiter westwärts gewahren wir an der Küste Neuharlingersiel; von hier aus wird Fischerei und Garneelenfang betrieben. Rechts davon zieht der stattliche Kirchturm von Esens, der Hauptstadt des Harlingerlandes, vor allen Dingen unsere Blicke auf sich. Hier stand im späten Mittelalter die Burg des Häuptlingsgeschlecht der Attenas, dessen letzter männ- licher Sproß, Junker Balthasar, durch Seeräuberei den Bremern solchen Schaden zufügte, daß sie ihn im Bündnis mit Maria, der Herrscherin von Jever, 1540 in Esens belagerte. Gleich westlich vom Turm von Esens sehen wir deutlich Bensersiel, wo der Langeooger Dam- pfer landet, um Kurgäste und Güter vom Festlande nach der Insel zu bringen. Nun folgen Westwärts Windmühlen und Schornsteine von Ziegeleien, die Windmühlen von Westerbur und die Turmlose, auf hohem Warf gelegene Kirche von Westerakkum.
#12 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Rechts davon dreht sich lebhaft das Flügelkreuz der Windmühle von Wester- akkumersiel, die uns von der Kuppe der Flinthörndünen so nahe erscheint. Weiter rechts sehen wir in flachbogiger, dunkler Aufragung ein Wäldchen liegen, aus dem eine Turmspitze aufragt. Südlich an diesem Wäldchen, dem Park des Dornumer Schlosses, liegt der schön gebaute Flecken Dornum, von dem wir außer der Schloßturmspitze nur noch die Windmühle am Westsaume war- nehmen können. Rechts von Dornum erhebt sich ein massiger Turm; es ist der Kirchturm des alten Dorfes Arle, schon auf dem Geestrande gelegen. Die Kirche ist eine alte Propsteikirche der Diözese Bremen, zu der in vor- reformatorischer Zeit dieser ganze östliche Teil Ostfrieslands mit Esens, Dornum und Norden gehörte. Sie stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und ist aus Eifeltuff erbaut, der aus der Andernacher Gegend den Rhein hinab über Utrecht, Zwolle und Kampen hierher verfrachtet wurde. ( Damals fehlten in Ostfriesland noch die Ziegeleien. ) Westlich von Arle sehen wir den Flecken Nesse, auf einem großen, hohen Warf gelegen, dessen Kirche eine Tochterkirche von Arle war ( und wohl zu gleicher Zeit ) ebenfalls aus Tuff erbaut worden ist. Man erkennt sie deutlich an dem Dachreiter am Ostende. Westwärts folgt nun eine Windmühle und dann der Turm des neuzeitlichen, waldumrahmten Schlosses Nordeck. Darauf zieht ein etwas eigentümlicher, massiger Turm unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es ist der Turm der Kirche des Fleckens Hage, einer der ältesten Backstein- kirchen Ostfrieslands ( 13. Jahrhundert. ) Bei gutem sichtigen Wetter er- blicken wir westlich von Hage die rauchenden Fabrickschornsteine der Stadt Norden, einer uralten Siedelung an der Nordwestecke Ostfrieslands. Etwas bin- nenwärts vom aüßersten Westpunkte der Küste ragen zwei aus Eisenstangen auf- geführte Türme empor ( in wirklichkeit sind es vier, die aber, von unserem Blickpunkte aus gesehen, zu je zweien hintereinander liegen ). Das sind die Türme der bekannten Funkstation Norddeich. Der Hafen von Norddeich ist uns infolge einer Vorbiegung der Küste verdeckt
Die weite Fläche des Watts überschauend, richten wir nun den Blick auf den langeooger Weststrand, gewahren dann neben dem Flinthörn auf dem Watt die Schiffe, welche Schille ( Muschelschalen ) an der Plate einladen und nach Bernsersiel und andere Küstenorte verfrachten für die Mörtelbereitung. Jenseits des Seegatts, der Akkumer Ee, liegt ganz nehe vor uns Baltrum, die kleinste der ostfriesischen Inseln, deren Dünen nebst einigen Häusern wir deutlich erkennen. Rechts an Baltrum vorbei erblicken wir das wichtigste Seezeichen des ganzen Blickfeldes, den Leuchtturm von Norderney, dessen Blinkfeuer abends beim ersten Beginn der Dämmerung uns so freundlich herüber winkt, das 20 Seemeilen = 37 km auf die See hinausleuchtet ( 1873 erbaut ). Daneben sehen wir das zwei- stöckige Wärterhaus liegen. Nordwärts schauend, erblicken wir die offene See und zur Flutzeit deutlich die weißen Schaumköpfe der Brandung. Hier brechen sich die Wellen an der großen Sandbank, die bei Ebbe zun Teil vom Wasser entblößt und von Seehunden oft zum Ruheplatz erkoren, für die Insel Langeoog ein so unschätzbares natürliches Bollwerk bildet gegen die beutegierigen Sturmeswogen der Nordsee.
Hier beobachten wir auch im Meere die fast gleichlaufend mit dem Strande in lan- ger Linie ausgelegten Seetonnen. Es sind Tageszeichen, die dem Seemann das Fahrwasser zeigen und ohne welche er auf die Untiefen und Sandbänke und damit ins Verderben geraten würde. Am Abend sieht man auch das Blitzlicht von Helgoland am Ostrande des Gesichts- kreises aufleuchten. Wir können aber hier nicht weiter darauf eingehen, sondern verweisen auf des Verfassers Buch --Ostfriesland--
Wer die Nordseeküste zum ersten Male besucht, dem sei dringend empfohlen, die von Langeoog aus zu wohlfeilen Preisen veranstalteten Ausflüge nach Spieckeroog, Wangeroog, Baltrum und Norderney mitzumachen. Er wird dadurch seinen geographischen Anschauungskreis in anregender und angenehmer Weise erweitern.
#13 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Eine physikalische Erscheinung, die man an sämtlichen Meeresküsten war- nehmen kann, muß hier noch kurz besprochen werden. Das ist die Beugung und Ablenkung der Lichtstrahlen in den untersten Schichten der Seeluft, die besonders schön zur Zeit der Flut zu beobachten ist und die Schiffe, Mühlen, Türme und festländischen Siedelungen wie in der Luft schwimmend erscheinen läßt. Wie ist diese auffallende Erscheinung zu erklären? Sie ist darin begründet, daß die unterste, gleich oberhalb des Wassers liegende Luftschicht durch die Ausstrahlung des Wassers liegende Luft- schicht durch die Ausstrahlung des Wassers etwas erwärmt und daher auf- gelockert wird. Die darüber liegenden Luftschichten sind kühler und dichter. Darum werden die von den Aufragungen am Rande unseres Gesichtskreises in waagerechter Richtung zu uns kommenden Lichtstrahlen ein wenig bogenförmig gekrümmt und zwar in einem außerordentlich flachen Bogen nach unten, so daß er nach oben offen ist. Das Auge aber verfolgt die Lichtstrahlen aus dem allerunter- sten Teile des Himmelsgwölbes, so daß davon ein ganz schmaler Streifen her- ausgeschnitten wird und unterhalb der scheinbar in der Luft schwimmenden Ge- genstände uns zum Bewußtsein kommt. Diese Erscheinung ist also der Fata morgana der Wüsten verwandt. Man nennt sie Seegesicht oder Kimmung. An der holländischen Küste heißt sie opdracht; der Engländer nennt sie looming.
9) Siel, holländisch zijl, ist ein altfriesisches Wort; es bedeutet ursprüng- lich Abwässerungsrinne, Wasserlauf oder Bach. Auf den Hallingen nennt man das Zuleitungsrohr zum Fething ( einem offenen , ausgegrabenen Wasserbehälter zum Aufsammeln des Regenwassers ) noch Heute Siel. Späterhin hat sich der Name Siel auf die Schleuse im Deich übertragen, durch die jeder von der Geest herabströ- mende Bach ins Meer mündet. ( Schutz gegen Überschwemmung )
10)Bensersiel ist der Siel von Bense, einem Kirchdorf, das einst in der flachen Küstenbucht zwischen Westerakkumersiel und Bensersiel lag, 1530 noch urkundlich erwähnt wird und in der Allerheiligenflut ( 1. Nov. 1570 ) samt seiner Kirche von der Sturmflut verschlungen wurde. Ost- und Westbense, zwei Ortschaften bei Bensersiel, blieben erhalten bis auf unsere Tage; sie waren zur Kirche von Bense eingepfarrt.
11)Warf, ist ein künstlich aufgeworfener Hügel, auch Wurt, Wierd, Worth, Ward genannt, den die Friesen infolge der eintretenen, langsamen Senkung des Landes von 100 vor Chr. bis etwa 900 nach Chr. mit unsäglicher Mühe in großer Zahl längs der ganzen friesischen Küste aufwarfen als Wohnhügel und auch als Zufluchtsstätte bei den Sturmfluten. Schon dazu bedurfte es der Vereinigung aller verfügbaren Menschen- hände. Dann folgte der Bau des Deiches, der nun dem Lande als --goldener Reif-- eine feste Schutzwehr gegen das Meer verlieh.
#14 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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g)D a s S e e b a d.
Das Kleinod Langeoogs ist sein herlicher Strand, der zum Baden im See- wasser, in Luft und Sonnenschein benutzt werden kann. Gleich westlich vom Dorfe und selbst von den äußersten Häusern kaum mehr als 1 km ent- fernt liegt der Teil des Strandes, den man für den Badebetrieb in Anspruch nimmt. Gut unterhaltene, breite Steinpfade führen uns zu ihm hinaus. Man hat drei Badestrände, einen für das Familienbad, einen für gesondertes baden der Damen und ebenso einen für die Herren. Die Badezeit richtet sich nach der Flut und verschiebt sich daher wie diese täglich um 50 Minuten vor- wärts. Während der Badezeit wird die Fahne aufgezogen; sie ist das Zeichen dafür, daß nunmehr der Damenbadestrand den Damen allein, der Herrenbade- strand den Herren allein gehört. Herren dürfen den Badestrand der Damen ( und umgekehrt ) während dieser Stunden nicht betreten. Als Auskleideräu- me finden sich feststehende Zellen oben am Strande oder fahrbare Badekar- ren, die je nach Bedarf leicht näher ans Wasser herangebracht werden können.
Das Baden am Strande ist nicht ohne Gefahr. Die Geschichte unserer ostfrie- sischen Seebäder weiß von - allerdings nur seltenen - traurigen Ünglücks- fällen beim Baden am Strande zu berichten. Das darf nicht außer Acht gelassen werden. Die Strömung die namentlich im Westen und Nordwesten scharf den Insel- sockel umkreist, setzt zur Zeit des Beginns der Ebbe kräftig ein und kann so- gar gute Schwimmer mit in die See entführen. Also Vorsicht. Aber bei Befolgung der Anordnungen des verantwortlichen Badepersonals ist jede Gefahr ausgeschlos- sen. Seine Anordnungen müssen daher auch unbedingt befolgt werden
Der Badebetrieb wickelt sich in recht einfachen Formen ab. Man löst sich eine Badekarte, die man persönlich beim Bademeister oder bei der Bademeisterin ab- gibt, wofür man eine Nummer erhält, die dann auf einem erhöhten Gestelle aus aufgerufen wird. Das Weitere besagt die in den Auskleideräumen ausgehängte Badeordnung. Doch sei hier darauf hingewiesen, daß es unzweckmäßig ist, im See- bade zu schwimmen, da der Wellenschlag den im unfriedigten Raum Schwimmenden sehr behindert. Wer sich nach dem Bade noch im Badeanzug in freier Luft erge- hen oder auf dem Sandbett des Strandes sich sonnen will, hat dazu reichlich Gelegenheit. Auch werden auf Wunsch von dem Bademeister oder der Bademeisterin kalte Abreibungen mit Seewasser gemacht.
Neben diesen Seebädern auf dem freien Strande kann man auch warme Seewasserbä- der nehmen. Dazu ist die Warmbadeanstalt täglich von 9 bis 1 Uhr geöffnet. Auch befindet sich hier ein Inhalatorium in dem Seewasser, andere Salz- und auch an- dere Heilmischungen durch Inhalationsvorrichtungen den Atmungswegen zugeführt - werden.
Das Nordseebad Langeoog ist allen zu empfehlen die an allgemeinen und nervösen Schwächezuständen, an Blutarmut und den häufig mit ihr verbundenen nervösen Be- gleiterscheinungen z.B. an Herzneurose leiden. Überhaupt ist das Inselklima und die feuchte und milde, salzhaltige Seeluft besonders geeignet, solchen Leidenden, die schwere Krankheiten überstanden haben, Stärkung und Kräftigung gewähern.
Was in den festländischen Solebädern die Gradierwerke für den Kurgebrauch bedeu- ten, in dem sie eine mit Salzwasserstaub erfüllte Luft hier aushauchen, das ist auf unserer Nordseeinsel der Strand, der ja von dem selben Salzhauch erfüllt ist, wie die Umgebung der Gradierwerke. Darum sind es auch vor allen Dingen die Krank- heiten der oberen Luftwege ( Nase, Rachen, Kehlkopf ), aber auch der Luftröhre mit ihren Verzweigungen, die hier mit gutem Erfolge bekämpft werden. Doch ist die Lungentuberkulose hier nur in den leichtesten Formen der Heilung zugänglich, wie uns die ärtztlichen Erfahrungen ( namentlich auf Norderney ) seit mehr als vierzig Jahre gelehrt haben. Für skrophulöse und auch für schwache Kinder, die ohne klar ersichtliche Ursachen nicht recht gedeihen wollen, ist ein Aufenthalt auf Langeoog von außerordentlich fördersamer Wirkung, weshalb ja auch immer mehr Kinderheil- und Erholungsstätten an der deutschen Nordseeküste gegründet werden.
#15 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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In der Nähe des Strandes ist auch ein Luft und Sonnenbad eigerichtet wor- den. Dieses ist besonders noch denjenigen Kranken zu empfehlen, die an Knochen und Gelenktuberkulose leiden und chirugisch vorbehandelt worden sind. Bei diesen ist die planmäßige Sonnenbestrahlung, vereinigt mit den allgemeinen klimatischen Heilkräften unserer Insel von ganz hervoragender Wirkung.
Im Hinblick auf die Ernährung unserer Kurgäste sei hier nur darauf hinge- wiesen, das Langeoog seinen Milchbedarf fast ganz aus dem Ertrage der auf der Insel vorhandenen Rinderherden bestreiten kann. Dazu werden die Kühe alljährlich im Frühling tierärtzlich untersucht und alle nicht einwand- freien Tiere von der Milchversorgung ausgeschlossen.
Die Trinkwasserversorgung entspricht allen Forderungen der Gegenwart. Die Beseitigung der Abwässer durch die Schwemmkanalisation und die Abfuhr des Abfalls geht in Mustergültiger Weise vor sich.
Was ist es denn nun, was unsere Insel zu einer solch bevorzugten Heil- und Kräftigungsstätte macht? Darüber hier noch ein kurzes Wort. Seeluft, Seesonne und Seewasser - das sind die Heilmittel, die die Nordsee- insel im reichen Maße darbietet.
Die Insel Langeoog hat ein ausgeprägtes Seeklima. Das Meer nimmt die Wärme langsamer auf als der Landraum, gibt sie aber auch langsamer wieder ab. Das wirkt abstumpfend auf die Extreme und bedingt daher milden Sommer und mil- den Winter. Hinzu kommt die gleichmäßige Feuchtigkeit der Luft und die ste- tige Luftbewegung, die nur sehr slten einmal zuläßt, daß der Rauch aus den Schornsteinen gerade aufsteigt, aber in der Zerstäubung des Meerwassers im Gürtel der Brandung der Luft staubfeine Salzwasserteilchen beimengt. Dazu gesellt sich die große Reinheit der Seeluft; sie ist frei von Staub, Rauch und Krankheitskeimen. Die Wärmespeicherung des Seewassers, durch den mit einem Arm an unserer Küste vorbeistreifenden Golfstrom mitbedingt, merkt man namentlich deutlich im Herbst, der auf der Insel später eintritt als auf dem Festlande, während der Frühling sich dementsprechend etwas verzö- gert. Aus diesen Gründen wirkt die Seeluft wohltuend auf die Schleimhäute der Atmungswerkzeuge und abhärtend auf den ganzen Körper ein. Darum ihre große Heilwirkung auf diese so wichtigen Werkzeuge des menschlichen Körpers, die fördersame Einwirkung auf den Verlauf des ganzen Stoffwechsels und als Folge davon das kräftige Verlangen nach Nahrung, die bekannte Eßlust am Meeresstrande.
Dazu kommt als zweites großes Heilmittel die Sonne. Wie uns die Wetterbeo- bachtung gelehrt hat, erhält Ostfriesland trotz der Nähe des Meeres jähr- lich noch ein Zehntel der Jahressonnenscheindauer mehr als die Stadt Kassel. Der Gehalt des insularen Sonnenlichtes an ultravioletten Strahlen macht es in gleichem Maße als Heilfaktor geeignet wie die Hochgebirgssonne. Im Luft und Sonnenbad und auf dem freien Strande kann dies alles voll ausgenutzt werden. Burgenbau, Bewegungsspiele und so mancherlei Sport auf der sauberen Sandfläche des Strandes regt Atmung, Blutkreislauf und Stoffwechsel des Kör- pers außerordentlich an und ist daher in johem Maße fördersam bei der Hei- lung von Krankheiten und Schwächezuständen.
Und nun endlich das Seewasser. Kalte Seebäder reizen durch den Wellenschlag verbunden mit dem Salzgehalt des Meerwassers die Haut an zu erhöhter Tätig- keit der Atmung, ja zuweilen so sehr, das der Badefriesel sich bemerkbar macht. In solchen Fällen empfielt sich weises Maßhalten im Baden und Befra- gen des Badearztes.
Seeluft, Seesonne und Seewasser sind die drei wirkungsvollen Heilfaktoren, die die Insel Langeoog vor den festländischen Kurorten ihren Besuchern spen- det. Wahrlich, sie haben bei sehr vielen Besuchern unserer Insel in ausge- zeichneten Maße heilbringend gewirkt. In sale et sole omnia consistunt.
#16 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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h) G e s c h i c h t l i c h e s.
Die Geschichte der Insel Langeoog ist bis vor wenigen Jahrhunderten in un- durchdringliches Dunkel gehüllt. Da die Insel für den Ackerbau in aller Zeit völlig unbrauchbar war, so war es für die Menschen sehr schwer, hier der kargen und herben Natur die Bedingungen für ein halbwegs menschenwür- diges Dasein abzuringen. Sie bot ja fast nur Gras für das Weidevieh und Heu für die Winterfütterung. Daneben spendet das Meer Fische und Krebse, so daß dem Menschen ein armseliges, karges dasein zu führen möglich war. So kommt es auch, daß so wenig geschichtliche Nachrichten über die Abbrü- che und Zerstörungen der Sturmfluten, von denen sicherlich auch die Insel Langeoog betroffen worden ist, auf uns gekommen sind; ja, wir wissen nicht einmal, in welcher Sturmflut das große Schlopp durch die Insel gerissen worden ist. Sonst war das stille, einsame Leben der Insulaner oft lange Zeit ereignislos. Vom Jahre 1683 aber berichtet Balthasar Arend, damals Pastor in Berdum im Kreise Wittmund: -1683 den 1. April am Palmsonntag strandete an Langeoog ein großer Fisch 3 Faden lang, aus welchem die Einwohner an die 130 Krooß (=173 Liter) des besten Thranes, so je mag gesehen sein, gebrannt haben. Einige hielten diesen Fisch für einen Springer, andere für einen Nord Carp, die mei- sten aber für einen unbekannten Fisch.. Von dieser Zeit an werden die geschichtlichen Nachrichten zeitweise reich- licher, so namentlich über die Schicksale und die Pastorierung der Inselge- meinde im 1. Viertel des 18. Jahrhunderts. Wilhelm Breves, der leider so früh verstorbene Schriftsteller, hat diese geschichtlichen Nachrichten seiner Er- zählung -- Nichts ist als ich und du -- zu Grunde gelegt.
Die furchtbare Weihnachtsflut von 1717 war ein entsetzliches Unglück für die ganze ostfriesische Küste. Vor der Flut wollte man auf dem Ostende von Lange- oog eine Kirche bauen, die 28 Fuß lang 21 Fuß breit und 12 Fuß hoch werden sollte. Aus Strand und Kollektengeldern hatte man für dieses kleine Gotteshaus einen kleinen Baufonds zusammengebracht. Kanzel und Altar waren schon in Arbeit gegeben. Ja, Georg Albrecht, Fürst von Ostfriesland, hatte sogar die Glocke vom Torfhause bei seinem Schlosse in Berum der Inselgemeinde geschenkt. Der Pastor Böttcher bat 1712, man möge doch sein Gehalt auf 100 Reichstaler ( 300 Mark ) erhöhen. Er sei aber auch mit einer Kuh und dem nötigen Futter zufrieden. Die fürstliche Regie- rung in Aurich antwortete ihm, er solle sich auf Staatskosten eine Kuh kaufen; auch das Futtergeld wollte ihm die Behörde ersetzen. So schien es mit der Kirchen- gemeinde Langeoog hoffnungsfreudig bergan zu gehen. Da wurden alle Hoffnungen mit einem Schlage vernichtet, durch die Weihnachtsflut von 1717. Die am Ostende stehende Kirche wurde stark beschädigt, so daß sie ein- fiel, und die nahe dabei gelegene Pastorei völlig zerstört. Da nur noch vier Fami- lien auf der Insel blieben, trug sich die Regierung mit dem Gedanken, diese auf eine andere Insel anzusiedeln, ließ aber doch den Plan wieder fallen und suchte der kleinen Gemeinde möglichst aufzuhelfen. Nach Böttchers Tode sandte man einen neuen Pfarrer in der Person des Pastors Georg Anton Löwenstein nach der Insel. Aber die schreckliche Sturmflut von 1721 zerstörte wieder alles, so daß auch der Pastor wieder die Insel verließ; er erhielt eine neue Stelle im Kirchdorfe Hollen im Kreise Leer..
Die Regierung nahm sich der verödeten Insel an, so gut sie konnte, und zogen im Juli 1723 acht Familien unter günstigen Bedingungen von Helgoland nach Langeoog. Dazu ge- hörte die Familie Leuß, die ihren Namen jetzt Leiß schreibt und noch gegenwärtig auf der Insel ansässig ist. 1741 wanderte die in ihren Nachkommen noch Heute auf der In- sel ansässige Familie Pauls aus Eiderstädt in Holstein ein. 1743 waren auf Langeoog wieder nur drei Haushaltungen vorhanden, welche wegen ihrer Dürftigkeit von aller Steuer befreit waren. Joh. Conrad Freese berichte darüber: --Langeoog Fischgelder und Schulle (Schollen) Ersteres wird jetzt nur allein von dem Vogten mit 1 Rthlr.be- zalet. Die übrigen Bewohner leben in dürftigen Umständen, und sind deher schon im Jahre 1713 durch ein fürstliches Reskript mit der völligen Immunität von allen Prä- stationen, sowol Fischgeldern als Schull-Lieferung nach den Renteirechnungen des Amtes Esens von 1714 u. f. begnadigt worden. Sie sind also das einzige Volk im ganzen heil. römischen Reiche, was durchaus prästationsfrei ist.
Die 1717 zerstörte Kirche wurde nicht wieder aufgebaut, vielmehr die kleine Insel- gemeinde zur Stadt Esens eingepfarrt.
#17 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Sonderbare Verhältnisse brachte für die ostfriesischen Inseln auch für Langeoog die Zeit der Napoleonsherrschaft und der Kontinental- sperre mit sich. Die Engländer hatten damals auf dem ihnen gehören- den Helgoland einen großen Stapelplatz für ausländische Waren einge- richtet. Das gab eine sehr verführerische Gelegenheit zum Schmuggeln. Auch von Langeoog fuhr man mit kleinen Segelschiffen ( Schaluppen, Tjalken, Kuffschiffen ), wenn die Aufsicht fehlte, wie man durch ver- abredete Signale erfuhr, nach Helgoland und holte von dort reiche La- dungen an Kaffee, Tee, Zucker, Baumwollwaren, Tabak und Knöpfen, die in den Dünen in kellerartigen Höhlen verborgen wurden. Noch anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fand man in den Dünen Langeoogs eine solche Höhle wieder auf, vollgepropft mit Kaffeebohnen, die natürlich längst verdorben waren. Auf Segel und Ru- derbooten wurde dann die Schmuggelware bei Nacht und Nebel nach dem Festlande gaschafft oder nach Bestechung des französischen Aufsichts- beamten auf Dornumersiel, der solcher Versuchung leicht zum Opfer fiel, dorthin gebracht und an die Küstenbewohner verkauft. An jedem Pfund Kaffee wurden achtzehn bis zwanzig Stüber (1M bis 1,10M) verdient. Auf Spiekeroog, Norderney und Borkum erinnern noch Schanzen, die mit Batterien besetzt waren, an diese Zeit. Im November 1813 ver- schwand dann die französische Besatzung nach Versenkung ihrer Geschütze in einer tiefen, wassergefüllten Grube sehr rasch von der Insel.
Am 3, 4. und 5. Februar 1825 hatte die Insel wieder von einer schweren Sturmflut zu leiden, in der das kleine Schlopp zwischen Melkhörn und Ostende durch die Dünen gerissen wurde. Auch in vielen Häusern drang das Wasser ein bis zur Höhe von einem Meter.
Im Jahre 1830 kam als erster Kurgast Amtsrichter von Vangerow aus Aurich nach Langeoog; er brachte bald noch einige Freunde mit, die nun auch mit dem Baden am Strande begannen, wenngleich noch keine Auskleidezellen und Badekutschen vorhanden waren. Als solche wurde ein altes Wrack am Strande benutzt. Amtsrichter van Vangerow war ein ständiger Besucher der Insel und verstand auch für sie in seinen Bekanntenkreisen zu werben. Im Jahre 1856 wurden die ersten Badekutschen am Strande aufgestellt. Großes Ver- gnügen bereitete diesen Herren namentlich auch die Kaninchenjagd.
Verwilderte Kaninchen hausten schon seit undenklichen Zeiten in den Dünen. Wie sie dort hingekommen sind, ist nicht bekannt. Doch liegt der Schluß nahe, das einst das erste Paar einem Insulaner, der sich mit der Kaninchen- zucht befaßte, entwischt ist. Sie bewohnten bald in großer Zahl die bewach- senen Binnendünen; denn diese boten ihnen ein anheimelndes und dabei für ihre Grabungen sehr leicht zu bearbeitendes Gelände, in dem sie also leicht ihre Höhlen und Schlupfgänge herrichten konnten. Nahrung bot das Land in Fülle. So vermehrten sie sich bald sehr. Die weißen und schwarzen Tiere wurden vom Seeadler u. dem auf dem Herbst und Frühlingszuge die Insel besuchenden Raub- vögel, vom Wanderfalken, Habicht u. a. am leichtesten im Gelände erspäht; sie fielen ihnen daher am ersten zum Opfer, so daß nach nicht langer Zeit nur die- jenigen Tiere noch übrig blieben und sich fortpflanzten, die ihre Farbe am meisten derjenigen ihrer Umgebung anpaßten ( protektive Schutzfärbung ). Namentlich auf dem Ostende war ihre Zahl groß. Die Kurgäste zogen auf die Jagd mit dem todbringenden Blei im Rohr, wobei jedoch sehr viele dieser flinken Hopser vor unserem Nimroden in ihre Schlupfgänge entwischten. Der Pächter des Ostendes verstand sich sehr gut auf das Ausstellen von Netzen vor ihren Schlupflöchern, in welchen dann sehr viele Kaninchen endeten. So ergaben die Tiere für unsere Inselbevölkerung manchen saftigen Braten. Aber da kam die Königliche Regierung in Aurich auf den Gedanken, daß die Kaninchen durch das Graben der Höhlen der Festigkeit der Dünen sehr schadeten, ebenso durch das Abnagen des Helms. So wurden sie dann anno 1874 samt und sonders auf Befehl der Regierung ausgerottet, und die interessanten Jagdvergnügen der Kurgäste waren nun auf immer dahin.
#18 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Die Bälge der in großer Zahl gefangenen Tiere wurden nach Holland und Belgien verkauft. Die Einnahme reichte hin zur Beschaffung eines Harmoniums für die ( 1885 abgebrochene ) kleine Kirche, die damals durch das gegenwärtige schöne Gotteshaus ersetzt worden ist. Zur großen Freude unseres wackeren Inselvölk- chens hielt nun auch Frau Musica auf Langeoog ihren öffentlichen Einzug. Bis dahin hatte nur ein alter Matrose an schönen Nachmittagen seinen versammelten Freunden und Bekannten --Das Schiff streicht durch die Wellen. Fridolin-- und andere See-mannslieder auf der Mundharmonika zu Gehör gebracht, wie ein alter Langeooger dem Verfasser erzählt hat.
Im Jahre 1859 erhielt die Inselgemeinde wieder eine Kirche, die freilich nur klein war, aber ihrem zweck in der ja nur kleinen Gemeinde genügte. Als einst ein sehr stattlicher Pastor auf Langeoog den Seelsorgerdienst übernahm, erlaub- te ihm die Kanzel nicht, unter der Kirchendecke aufrecht zu stehen. So mußte man den Fuß der Kanzel notgedrungen etwas erniedrigen.
Die Schulverhältnisse waren bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus recht unerfreuliche. Der Unterrichtsraum fehlte. Die --Lehrer-- waren ungebildete Leute, die von einem regelrechten Unterrichten nichts verstanden und nur neben ihrer Hauptbeschäftigung den Kindern die allerdürftigsten Kenntnisse beizubringen ver- mochten, wofür ihnen dann einige Pfennige Schulgeld gezahlt wurde. Ums Jahr 1830 wurde das Schulmeisteramt mit dem Pfarramt verbunden und der Pfarrer vom Konsisto- rium in Aurich verpflichtet, einen geprüften Gehülfen zu halten, der durch eine Anzeige in der Zeitung gesucht und gefunden wurde. Dieser hatte --Schule zu halten--. wofür er vom Pfarrer Wohnung und Verpflegung und einen kleinen Lohn erhielt. Erst im April 1880 hat das Auricher Konsistorium dieses altväterische Verhältnis aufge- hoben und auf Langeoog eine selbsständige Lehrerstelle errichtet, die einem im Au- richer Seminar vorgebildeten Lehrer übertragen wurde. Die Kinder wurden weiterhin im Pfarrhause unterrichtet, bis endlich im Jahre 1891 ein Schulhaus mit Klassenzim- mer und Lehrerwohnung erbaut wurde.
Seit mehreren Jahren besitz Langeoog nunmehr auch eine Privatschule, in welcher die Schüler durch Unterricht in alten und neuen Sprachen für die oberen Klassen der hö- heren Schulen im Norden, Jever, Aurich und Emden vorbereitet werden.
Im Jahre 1863 wurden sieben Auskleidezellen am Strande hergerichtet und für das See- bad am Strande eine Gebührvon 25& erhoben. Der Kapitän Johann Adam Leiß erbaute im selben Jahre ein kleines Hotel mit einem Speisesaal für Aufnahme und Bespeisung der Kurgäste. Einer der ersten Gäste war der Fürst von Schaumburg-Lippe. Nach ihm wurde nun der erste Inselgasthof -- Hotel zum Fürsten von Schaumburg-Lippe-- genannt, jetzt Privathaus --Luise-- am Dorfeingang. Dennoch hob sich das Seebad Langeoog nur erst ganz langsam. Emden die nächste Eisenbahnstation, war weit entfernt und die Insel von dort aus recht umständlich zu erreichen. So war es natürlich, daß die Kurgäste fast nur aus Esens, Wittmund und Jever kamen. Sie nur konnten sich mit den noch wenig ent- wickelten Wohnverhältnissen in den kleinen, aber sehr sauber gehaltenen Insulaner- häuschen abfinden.
Das Verhältnis der Badegäste zu den Insulanern war sehr freundschaftlich, waren doch die Kurgäste meist ostfriesischen Landsleute, die sich auch der plattdeutschen Mundart bedienten. So hatte das Badeleben auf unserer Insel durchaus etwas ungemein Patriarcha- lisches, Herzliches und Gemütliches an sich. Man wohnte in den kleinen --Kamers-- oder Vorderstuben der Insulaner, die sich in ihrer Wohnung auf andere Weise zu behelfen ver- standen, schliefen in den nach alter friesischer Wohnform vorhandenen Butzen oder -- Bettstä'n-- saß statt im Standkorbe, den es noch nicht gab, in den damals bei allen In- sulanerhäuschen vorhandenen Lauben aus Bocksdorn, wo man morgens seinen Kaffee trank und auch in der Regel die Abendmahlzeit einnahm, und erzählte sich seine Erlebnisse. Waren auch die Stuben nur klein und nicht sehr hochgebaut, die Butzen auch etwas unbe- quem, aber doch den meisten Kurgästen von Haus aus gewohnt, so war dennoch alles außer- ordentlich sauber und gemütlich, und man lebte unter diesen bescheidenen Verhältnissen froh und glücklich. Denn die ganze Lebenshaltung war damals viel bescheidener als in der Gegenwart. Man hatte wenig Geld und brauchte auch wenig; das Geld hatte damals ja auch eine ganz andere Kaufkraft als heutzutage.
#19 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Im Sommer 1870 verließen bei Kriegsausbruch die Kurgäste fluchtartig die Insel, was für die einheimische Bevölkerung ein schwerer Schlag war. Doch wurden bald in Bremen, Bremerhafen, Geestemünde u. a. O. Sammlungen für die Insulaner ver- anstaltet und so der schlimmsten Not gesteuert.
Mit dem großen wirtschaftlichen Aufschwunge des 1871 geeinigten deutschen Kai- serreiches hob sich nun ganz allmählich auch das Seebad Langeoog. So zählte es 1872 schon 380 Kurgäste, 1875: 423, 1885: 1106, 1890: 1681, 1926: bereits 6000.
Während des Weltkrieges wurde auf der Insel Langeoog eine Inselwache eingerichtet, die meist aus Insulanern bestand. Am Weihnachtstage 1915 wurde das Dorf von einem französischen Flieger mit zwei Bomben beworfen, von denen die eine in der Nähe des Nordkaaps, die zweite unweit des Wasserturms niederfiel. Beide richteten keinen Schaden an.
Nach dem Kriege wurde dem wirtschaftlich so sehr geschädigten Inselbewohnern da- durch in großzügiger Weise geholfen, daß Staat, Provinz und Kreis die Mittel ver- schafften, sämtliche auf den Grundstücken ruhenden Belastungen abzutragen.
Ein wichtiger Markstein in der Entwicklung war das Jahr 1884. In diesem Jahr wurde das Hotel Flörke ( früher Hotel Ahrenholß ) eröffnet, das mit allen neuzeitlichen Einrichtungen versehen war, was sehr zur Hebung des Fremdenverkehrs beitrug. Im selben Jahre begann der Bau des Hospizes, das am 20. Juni 1885 eingeweiht un seiner Bestimmung übergeben wurde. Der Zuzug an Gästen war so stark, daß es bereits im Jahre 1888 um das Doppelte vergrößert werden mußte. Zugleich wurde das der Gemeinde Langeoog gehörige Seebad gegen Zahlung einer Taxe entsprechend der Zahl der Kurgäste dem Klo- ster Lokkum übertragen, daß das Seebad Langeoog auch jetzt noch verwaltet. 1892 wurde die Landungsbrücke erbaut, 1901-3 das Kurhotel Falke.
Seit jener Zeit ist die Barkhausenstr. weiter ausgebaut worden, und mehrere Gasthöfe und eine Reihe von Logierhäusern und Pensionen sind entstanden, so daß das Seebad- Langeoog, wenn es nun im Jahre 1930 die Feier seines hundertjährigen Bestehens begehen kann, wohl hoffnungsfreudig einer weiteren Emporentwicklung entgegensehen darf.
12)Die Gemütlichkeit des Badelebens wurde noch erhöht, als im Jahre 1895 bei einer Sturmflut der Schoner --Aurora-- strandete, in der er von den Sturmeswogen auf die Dünen geworfen wurde. Natürlich war an ein Abbringendes Schiffes nicht zu denken. Da kauften vier Insulaner das Wrack, takelten es ab, machten den Schiffsrumpf durch einschlagen einer Tür von der Seite zugänglich und richteten hier eine öffentliche Gaststätte ein, die manchem Kurgast einen interessanten Rastort bot. Leider mußte das Wrack 1901 gaschloppt werden.
13)Friedrich Wilhelm Barkhausen, geb. 1831 in Misburg bei Hannover, gest. 1903, Staatswissenschaftler, Ehrendoktor der juristischen Fakultät Marburg und der theo- logischen der Universität Halle-Wittenberg, wurde 1873 von Falk als vortragender Rat ins Kultusministerium berufen, wo er mit der Bearbeitung der Kirchlichen Ver- fassungsangelegenheiten betraut wurde; darauf leitete er die Reorganisation des Klosters Lokkum, dessen Kurator er wurde, in dem er auch beigesetzt worden ist; seit 1891 Präsident des evangelischen Oberkirchenrats in Berlin. Auf seine Veran- lassung hat das Kloster Lokkum auf Langeoog das Hospitz gegründet und dadurch die Insel als Nordseebad erst so recht bekannt gemacht. So trägt die Straße mit Recht den Namen dieses bedeutenden und verdienstvollen Mannes.