#2 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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I. E i n l e i t u n g.
Den nordwestlichen Teil des deutschen Vaterlandes, der im Westen vom Dollartbusen und der Ausmündung der Ems, weiterhin ringsum vom Wattenmeere und im Osten vom Jadebusen bespült wird, nennen wir die ostfriesische Halbinsel, da sie nur im Süden noch mit der Festlandmasse zusammenhängt. Jenseits des Wattenmeeres, gleichsam einer Vorhalle der Nordsee, wird sie von einer Inselreihe, den ostfriesischen Inseln umkränzt, die westwärts in den schon zum Königreich der Niederlande oder Holland gehörenden westfriesischen Inseln ihre natürliche Fort- setzung finden. Jenseitz der Elbmündung erstrecken sich dann an der schleswigschen Küste die nordfriesischen Inseln nordwärts bis über die gegenwärtige dänische Landesgrenze hinaus. Sie alle heißen friesische Inseln, weil sie vom Stamme der Friesen bewohnt werden, dessen Wohnsitze von Ribe in Dänemark als nördlichste Friesensiedlung -- hier grenzen die Friesen an die Jüten -- bis zur Elbmündung wo die Sachsen (oder Niedersachsen) ans Nordmeer stoßen, südwärts und von dort an west- wärts auf den Inseln und dem nur schmalen Marschrande die Nordsee umsäumen und im Sinkfal bei Brügge in Westflandern ihre Westgrenze erreichen, wo sie die Flamen zum Nachbarn haben, während hier allenthalben im Süden die Sachsen das friesische Wohngebiet umgrenzen. Die ostfriesischen Inseln bilden die Reihe Borkum, Juist ( mit dem südlich vorgelagerten, unbewohnten Memmert ), Norderney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wangeroog, wovon allerdings die letztgenannte, der nordöstlichen Ecke, der -Wange- der ostfriesischen Halbinsel vorgelagert ( wovon diese alte Gau den Namen des Wangerlandes führt), als -Insel des Wangerlandes- schon seit 1575 dem oldenburgischen Staatsgebiete angehört, aber doch geographisch den ostfriesischen zu- gerechnet werden muß.
Die Insel L a n g e o o g (d. i. die lange Insel; Oog ist verwandt dem dänischen O) erstreckt sich in einer Länge von 14 km von Westen nach Osten. Im Süden wird sie von dem seichten Wattenmeere bespült, im Westen und Osten aber durch zwei Sunde, die der Volksmund --Seegaten-- nennt) von den Nachbarinseln getrennt. Das westliche Seegatt trennt Langeoog von der Nachbarinsel Baltrum und heißt die Akkumer Ee, weil hier der bei dem ( von Langeoog aus sichtbaren ) Dorfe Akkum ( d. h. Westerakkum ) vorbeifließende und bei Westerakkumersiel dessen Windmühle so traulich zu uns nach Langeoog herüberwinkt, ins Wattenmeer ausmündende Bach sein Wasser durch dieses Seegatt der Nordsee zuführt. Das östliche Seegatt scheidet Langeoog von seiner Nachbarin Spiekeroog; es heißt die Oßumer Balge.
entnommen von Dr. Rudolf Bielefeld Herford 1927 Selbstverlag des Verfassers
#3 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Der Seemann, der treue Pfleger alter Namen und Außdrücke, hat uns in dieser Bezeichnung den Namen des an der gegen- überliegenden Küste untergegangenen Dorfes Oßum lebendig erhalten, das diesem Seegatt gegenüber östlich von Benser- siel und 1 km nördlich vom gegenwärtigen Deiche gelegen hat und zum letzten Male 1346 erwähnt wird. Es ist in einer der vielen Sturmfluten untergegangen; doch fehlen uns darüber alle geschichtlichen Nachrichten. Im Norden wird Langeoog von den Wogen der Nordsee bespült. Blicken wir, am Strand stehend, nordwärts, so haben wir hier vor uns die offene See ohne jede aufragende Landmasse am Rande des Gesichtskreises.
Wenn der Reisende an der Landungsbrücke oder auf der offenen Reede das Schiff verläßt, so sieht er zunächst ein ganz flaches Sandgelände zu seinen Füßen sich ausbreiten; das ist der Wattstrand. Die Fahrt geht weiter und wir erblicken rechts die eingefriedigte, von zahlreichen Rindern belebte Außenweide. Westlich davon dehnt sich der Wiesengrund der Insel aus, der gemäht wird und dem Vieh das Winterheu liefert. Der Wagen wendet sich nun nordwestwärts dem Inseldorfe zu, das im Südwesten, Westen und weiterhin Nord- und Nordostwärts von den Dünen umsäumt und umhegt wird, die sich wie ein niedliches Gebirge, unterbrochen durch zwei Schluchten, bis zum Ostende der Insel hinziehen. Abgetrennt von ihrer Hauptmasse erblicken wir im Südwesten des Dorfes ein kleines Vorgebirge; es ist die einsame Gruppe der Flinthörndünen, in deren Nähe der Wattstrand allmählich in den eigentlichen Seestrand übergeht, der ein ganz anderes Bild bietet, weil er die Insel an der von den Wogen der offenen Nordsee getroffenen Nordseite umsäumt.
1) Gatt, Mehrzahl Gaten, ist ein altfriesisches Wort und bedeutet ( genau wie gate im englischen ) Loch, Tor, Pforte, Zugang, Durchfahrt, wie ja auch --the golden gate-- vor San Francisco
2) Ee oder ( in anderen Teilen Ostfrieslands ) Aa ist das altfrie- sische A a ( lateinisch aqua, französich eau ) und verwandt mit den deutschen Wörtern A u e und A ch e ; es bedeutet genau wie diese ein fließendes Wasser, also Bach oder Fluß.
3) Balge nennt man eine tiefe Rinne im Watt, in der auch noch zur Ebbezeit das Wasser fließt, während die --Platen-- oder Sand- bänke alsdann trocken liegen.
#4 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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II. Die Insel nach ihrer orographischen Gliederung.
Die Insel Langeoog hat ihren Namen von ihrer langgestreckten Form. Ihr Name wird urkundlich zum ersten male 1398 erwähnt und --Langoch-- geschrieben, während uns nur 8 Jahre später, im Jahre 1406, die Namensform --Langeoge-- entgegentritt. Die Größe ihrer Oberfläche ist bei Ebbe und Flut natürlich wesent- lich verschieden so das übereinstimmende Zahlen über ihre größe nicht vorliegen. Man gibt 13,4 und 17,8 qkm als ihre Flächen- größe an. Der Inselsockel bildet die einheitliche Grundlage für vier ge- sonderte Landschaften; es sind von Westen nach Osten: Der Flint- hörn, das Westende ( mit dem Inseldorf ), der Melkhörn und das Ostende.
a) D e r F l i n t h ö r n.
Etwa 1,5 km vom südwestlichen Rande des Westendes entfernt und von ihm durch eine öde Sandfläche getrennt liegt der Flinthörn als unbedeutende und unbewohnte Dünenlandschaft, die jüngste der Insel, da der Flugsand hier erst seit der großen Sturmflut vom 3.-5. Februar 1825 vom Winde zu Dünen aufgehäuft worden ist.
Der Name ist gebildet worden aus den beiden Wörtern Flint und Hörn. --Flint-- ist in der ostfriesischen Volkssprache der Feuerstein, der ja vom ende des 17. Jahrhunderts bis etwa 1830 an den Gewehren als Zündkörper diente, weshalb die Gewehre auch Heute noch Flinten heißen. Der Name Flint als Bezeichnung für einen natürlichen Stein wird vom Volke aber auch ausgedehnt auf alle Findelsteine oder erratischen Blöcke. Hörn ist ein altfriesisches Wort und heißt Win- kel, Ecke, Landspitze, Gegend, Stück der Feldmark. Flinthörn ist also die Ecke oder Landspitze, wo Flinten zu finden sind. Nach mündlicher Überlieferung der Langeooger sollen nämlich einst die Seeleute, wenn sie mit ihren Segelschiffen etwa von Großbritannien oder Skandinavien ohne Rückfracht zurückkehrten und ihr Schiff mit Ballast beladen hatten ( um dem Fahrzeug dadurch die nötige innere Festigkeit, Schwere und Widerstandsfähigkeit zu verleihen ) hier an der Südwest-Spitze Langeoogs aus den Blöcken und Geröllen bestehenden Ballast ausgeladen haben. Die Blütezeit der kleinen Siele an der ost- friesischen Küste fällt in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, ebenso die der kleinen Segelschiffe; darum findert man heutzutage am Flinthörn keinen ausgeworfenen Ballast, keine Flinten mehr.
Pflanzen- und Tierwelt sind auf dem Flinthörn ärmer und dürftiger als auf den drei übrigen Insellandschaften. Doch brüten hier im Juni meißt einige Silbermövenpaare und Austernfischer. Während der Sturmflut vom 3-5. Februar 1825 wurden Balken und Dachsparren mehrerer auf der westlichen Nachbarinsel Baltrum untergegangener Häuser in der Nähe des Flinthörns auf den Weststrand von Langeoog geworfen.
Landschaftlich ist der Flinthörn ziemlich reizlos. Doch kann man von seinen südlichsten Dünenkuppen aus mit dem Glas das Watt und die gegen- überliegende ostfriesische Festlandküste sehr schön überschauen.
4)Die Ostfriesische Stadt Norden heißt plattdeutsch Nörn d.i.'n Hörn d.h. Stadt an der Ecke der Geest der ostfriesischen Halbinsel. Darum hat auch der Name mir der Himmelsrichtung des Nordens ( die plattdeutsch Noorn heißt ) garnichts zu tun.
#5 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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b) D a s W e s t e n d e.
Von den drei Insellandschafte Westende, Melkhörn und Ostende hat die erstgenannte die größte Breite in nord- südlicher Richtung. Die südwärts vorspringende Westspitze der Insel schuf südöstlich vom Inseldorf eine gegen West- und Nordwest- winde ziemlich gut geschützte Reede, den natürlichen Lan- dungsplatz Langeoogs. Das Dünengelände umschlingt diese Landschaft als natürlicher Schutzwall. Die Vordünen bil- den bereits so hochgelegene Stellen, daß sie auch bei Sturmfluten in der Regel nicht von den Wogen erreicht werden. So bot das Westende als günstigen Landungsplatz die Reede und im Schutze des Dünenbogens auch trockene, gut gelegene Siedelungsstätten. Wie wir gesehen haben, ist im Dünengelände und dem vorgelagerten Nordstrande alles Wandel und Wechsel. Darum ist es nicht zu verwundern, daß die früheren Siedelungsstätten weiter nordwestwärts zu su- chen sind, ja vielleicht dort gelegen haben, wo jetzt die Wogen der Nordsee sich kräuseln oder der Strand und das Dünengelände sich ausbreiten. Aufgefundene Reste geben für diese Vermutung die Beweisstücke an die Hand. So ist es allen ostfriesischen Inseln ergangen. Allenthalben hat man Siedelung und Kirche nach Osten verlegen müssen; denn am Westende erlitten die Inseln ihre größten Abbrüche. Das gegenwärtige Inseldorf ist erst seit der Weihnachtsflut von 1717 allmählich entstanden.
Wo eine erhöhte Stelle, eine nicht zu kleine Vordüne zur Siedelung einlud, dorthin baute der Insulaner sein Haus, ganz unbekümmert da- rum, wie sich einmal die Anlage des Inseldorfes gestalten würde. Diese planlose Art des Siedelns kann man noch deutlich im Süddorfe erkennen. Im laufe der Zeit aber sah man ein, daß auch auf die späteren Geschlechter Rücksicht genommen werden müsse, daß also eine regelrechte Anlage des Dorfes für das Allgemeinwohl von großem Vorteil sei. So kam nun Vorblick und Plan in die Siedelungsweise, insbesondere seit dem Bau des Hospizes (1884). Damals standen an der Barkhausenstraße erst drei Häuser. So hielt man hier von Anfang an auf eine regel- recht verlaufende Straßenflucht. Diese Entwicklungsgeschichte spiegelt sich noch heutzutage in der ganzen Dorfanlage wieder und gibt ihr etwas Malerisch-Naturwüchsiges, das ihr wohl ansteht.
Allenthalben, einerlei ob in völlig freier Wahl des Siedelungs- platzes oder in planmäßig festgelegter Straßenflucht, überall hat man für die gute Lage des Hauses zur Sonne gesorgt, so das die Vorderseite nach Südosten, Süden oder Südwesten gewendet ist.
Das 1884 erbaute und später vergrößerte Hospiz ist Eigentum des Klosters Lokkum, das auch die Verwaltung des Langeoogers Seebades übernommen hat.
5)Das Kloster Lokkum liegt in der Nähe des lieblichen Bades Rehburg ( Bezirk Hannover ) und des Steinhuder Meeres. Es wurde 1163 vom Grafen Wilbrand von Hallermund gestiftet und mit Cisterziensern be- setzt. Doch nahm es 1593 die Reformation an und wurde nun in ein evangelisch-lutherisches Predigerseminar umgewandelt, das noch eine großartige Klosterkirche aus dem 13.Jahrhundert, eine wertvolle Bibliothek und ein Archiv besitz.
#6 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Es will namentlich evangelischen Geistlichen, Offizieren, Volks- schullehrern und anderen Beamten während der Badezeit ein Heim bieten.Westlich vom Hospitz liegt das Warmbad, östlich davon das Badekommissariat und das Krankenhaus; an drei Häusern vorbei führt der Weg ostwärts zum Cafe' Erholung.
Im Dorfe finden wir mehrere gute Hotels, Erholungsheime und Pensi- onen, ja fast jedes Haus ist zur Aufnahme von Kurgästen bereit vom einfachen Insulanerhäuschen bis zu ganz neuzeitlich eingerichteten Villen und eleganten Gasthöfen mit allen erwünschten Bequemlichkei- ten. Daneben finden wir Kirche, Volksschule und höhere Privatschule, Post, Gemeinde und Verkehrsamt, Zollgebäude, Rettungbootschuppen mit Rettungsboot und Rettungsgeräten, Gepäckhalle und hoch oben auf der Westkaapdüne den Wasserturm, der als Aussichtsturm eingerichtet ist und einen großartigen (aber von den Kurgästen leider viel zu wenig gewürdigten!) Rundblick bietet. Der Aussichtsturm bildet zusamt dem weiter nördlich ebenfalls auf hoher Düne stehenden Nordkaap, einem ragenden pyramidenförmigen Balkengerüst, die Landmarke von Langeoog ( Tagesseezeichen ), das dem Seemann in der Ferne ein sicheres Er- kennungszeichen für diesen Punkt seiner Seekarte an die Hand gibt. Hier am Aussichtsturm sich gabelnd, führt der Fußweg an Verkaufs- hallen, Luftbad und Strandhalle vorbei zum Strande.
Das Dorf ist mit Wasserleitung und Schwemmkanalisation ausgestattet; aber Klugerweise hat man, um die schöne Natur der Insel nicht zu ver- schandeln, auf die Anlegung von Rieselfeldern verzichtet, indem mann die Abwässer dem großen Schloot ( d.i. Graben ) zuführt und sie so in das Wattenmeer abfließen läßt. Auch sieht man darauf das durch Ablage- rung von Müll, Konservenbüchsen und allerhand Abfall die Dünentäler nicht verunziert werden, um der Insel das Bild größter Sauberkeit und möglichst unberührter Natur zu erhalten. Die elektrische Kraft für die Beleuchtung wird der Insel zugeführt von dem ( sozusagen eine europäische Berühmtheit bildenden ) großen Elek- trizitätswerk --S i e m e n s--, Elektrische Betriebe, Überlandzentrale Wiesmoor, das mitten in einer großen Moorfläche im inneren Ostfries- lands erbaut worden ist u. seine sieben gewaltigen Turbinen mit Torf heizt, der in nächster Umgebung von dem Weke selbst gewonnen wird.
Am Südsaume des Westendes liegt neben der Reede die Landungsbrücke, die durch Schienenstrang mit dem Dorfe bis zum Hospiz verbunden ist. Neben dieser wird die offene Reede noch vielfach als Landungsplatz benutzt.
Das Westende wird im Osten vom --groten Schlopp-- begrenzt. Es ist eine breite Schlucht, ein Durchbruch durch die Dünenkette und damit durch die ganze Insel, die die Wogen hier einst bei einer Sturmflut durchgebrochen haben. Man hat viele Jahrzehnte lang versucht, in dieser Einkerbung des Dünenwalles, die ja auch einmal der Insel wieder Gefahr bringen kann, durch Aufstellung von zusammengebundenem Buschwerk die Aufstäubung des Flugsandes zu fördern un die Dünenbildung, die die Natur auf dem Flint- hörn ohne Zutun des Menschen herbeigeführt hat, hier erfolgreich einzu- leiten. Das ist aber nicht gelungen. Darum hat man im Jahre 1904 begonnen, quer durch das große Schlopp in der Breite des jetzt dort vorhandenen Sanddammes --Helm-- anzupflanzen. Der Wind bestäupte die Helmpflanzung, die durch den aufgewehten Sang wieder hindurchwuchs, von der Verwaltung sorgsam gepflegt und wo es nötig schien, erneuert und verstärkt wurde. So ist hier seit 1904 ein richtiger, geschlossener Sandwall aufgestäubt worden ohne jegliche Karrenarbeit. Ein schönes Beispiel für die aufbauende Kraft des Windes, wenn Menschenhand durch Helmpflanzung ihn daran unter- stützt.
Zwar ist hier so der Nordsee durch Menschenhand eine Schranke gezogen. Aber die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, daß sie bei einer sehr hohen Sturmflut diesen Sanddamm wieder wegräumt und hier abermals ein tiefes Loch durch die Insel reißt, so daß auf Langeoog vielleicht zuerst einmal hier zur Sicherung des großen Schlopps Trutzbauten nötig werden wie am Nordwest- strande fast aller ostfriesischen Inseln.
6)S c h l o p p heißt Spalt, Einkerbung, Schlucht, Durchgang in einer Hecke zum Durchschlüpfen, auch Kerb, den man in ein Stück Holz geschnitten hat. --Schlopp-- ist ein mitteldeutsches Wort, damit verwandt schlüpfen und das aus sluft oder sliuft entstandene neuhochdeutsche Wort S c h l u c h t.
#7 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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c) D e r M e l k h ö r n.
Der Name Melkhörn bedeutet ein Stück der Flur, wo das Vieh ge- molken wird. Nach alter friesischer Sitte trieb man das Vieh in einen kleinen, eingefriedigten Raum, das Melksett genannt, wo die Mädchen sich zum Melken niedersetzten. Der Pächter der Domäne Ostende hat das Grünland auf dem Melkhörn auch Heute noch in Pacht und hatte hier einst sehr warscheinlich ein solches Melksett her- gerichtet, wo die Kühe gemolken wurden, was Heute ja nicht mehr der Fall ist. So entsricht der Name Melkhörn also nicht mehr den gegenwärtigen Verhältnissen wie auch der Name des Flinthörns.
Der Melkhörn wird durch das --lüttje Schlopp-- vom Ostende getrennt; er ist unbewohnt. Dieser mittlere Teil der Insel umfaßt aber schöne Dünengruppen und geräumige Dünentäler und gegenwärtig im südwest- lichen Teile die höchste Düne der Insel, über 30m über Flutnull, von der man einen sehr schönen Blick über das Watt und die gegenüberlie- gende Küste hat. Aber ihre Höhe ist, wie wir wissen, wandelbar. Dem Naturfreunde bietet der Melkhörn mit seinen großen Dünentälern mit üppigem Pflanzenwuchs und den zahlreichen Seevögeln die hier im westlichen Teile der Vogelkolonie im Juni dem Brutgeschäfte obliegen und den Wanderer mit ängstlichem Geschrei umkreisen, manche sehr interessante Bilder und dem wissenschaftlichen Pflanzenfreunde gute Ausbeute.
7)Lüttje, lüttjet ist das englische little und diesem gleichbedeutend, also klein. Das lüttje Schlopp enstand in der Sturmflut vom 3.-5. Fe- bruar 1825. Das grot Schlopp ist älter; aber in welcher Sturmflut es entstanden ist, darüber fehlen uns alle geschichtlichen Nachrichten.
#8 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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d)D a s O s t e n d e.
Das Ostende erstreckt sich vom lüttjen Schloop bis an die Ost- spitze der Insel, dem Osterhook und ist durch die Oßumer Balge von der Nachbarinsel Spieckeroog getrennt. Landschaftlich schließt sich das Ostende den bereits besprochenen Inselteilen mit gleichen Bildern an, hat aber vor dem Flinthörn und dem Westende den einen großen Vorteil voraus, daß es die Vogelkolonie Langeoogs mit beherbergt und zwar als Hauptschutzgebiet, da hier viel mehr Seevögel nisten als auf dem Melkhörn. Kein Naturfreund wird unterlassen, der Langeooger Vogelkolonie, der größten an der ganzen deutschen Nordseeküste, einen Besuch abzustatten. Hier nisten in vielen Tausenden von Paaren, die präch- tigen Silbermöwen, ferner Austernfischer, Seeschwalben, Brandenten u. a.
Nähert sich der Dünenwanderer der Vogelkolonie, so sieht er schon von weitem die herlichen Silbermöwen ( Larus argentatus ) in ihrem blendend weißen Gefieder in den Lüften schweben. Diese Möwen kommen vom Watt hergeflogen und bringen Futter für ihre Jungen.Während so einige mit dem Äßen ihrer Nachkommenschaft eifrig beschäftigt sind, sitzen andere noch brütent auf ihren Eiern, die sie in ihrem Brut- drange erst verlassen, wenn wir ziemlich nahe herangekommen sind. Dann aber erhebt sich nach und nach die ganze Schar kreischend in die Luft und erfüllt mit ihrem wethin hallenden Geschrei die ganze Umgebung; denn die Silbermöwen zeigen eine große Anhänglichkeit an Ihre Brut. Andere sitzen einzeln oder paarweise auf den Dünenkuppen, weiterhin unsere Annäherung erwartend, um sich dann auch zu ihren dort oben kreisenden Artgenossen zu gesellen. Dort auf der südlichen Randdüne sitzt der elsterbunte Austernfischer und zeigt im klagenden Ruf seine Ängstlichkeit, während einzelne besorgte Silbermöwenmütter , an deren Nest wir unmittelbar vorbeikommen, mit lautem Angstgeschrei nahe an unseren Köpfen vorbeistreifen. Wir erblicken in den kunstlosen Nestern, die manchmal sehr nahe beieinander liegen, die schon ausge- fallenen Jungen, die traulich zusammenhocken.
Die Familien der Möwen ( Laridae ) und der Raubmöwen ( Stercoriariidae ) sind ja ans Wasserleben angepaßte Raubvögel. Man hat sie darum wohl auch die --Wölfe des Meeres-- genannt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß sie ihre Räubernatur auch in der Vogelkolonie zeigen. Sie rauben den anderen Seevögel oft die Eier, deren Inhalt sie nach dem Zerbrechen der Schalen verzehren. So kommt es, daß das große Brutgebiet der Silbermöwe nur ihr allein gehört; kein anderer Vogel mag sich bei solch übler Nach- barschaft sein Nest bauen.
Am Rande des Brutgebietes der Silbermöwe hat sich der Austernfischer ( Haematopus ostrealegus ) sein Heim hergerichtet, das er ängstlich zu hüten scheint. Ein sehr schöner, stattlicher, bunter Vogel der fast immer nur paarweise und hernach in Gesellschaft sener Jungen anzutreffen ist, nistet hier ebenfalls; es ist die Brandgans ( Tadorna tadorna ) ein sehr interessanter Bürger unserer Vogelkolonie. Sie nistet in Erdhöhlen die man auch künstlich für sie anlegen kann, da sie diese ohne Bedenken annimmt. Früher, als noch die wilden Kaninchen in den Dünen hausten, be- nutzte die Brandente gerne deren Schlupfgänge und Niststätten zur Anle- gung ihres Nestes. Im Gegensatz zu diesem ziemlich schwerfälligen Vogel beobachten wir im Randgebiet die schlanke muntere Seeschwalbe ( Sterna hirundol ) die uns durch ihre Flugkünste erfreut, besonders wenn wir sie am Wattrande beobachten, wie sie sich wie ein Raubvogel aus der Höhe senkrecht ins Wasser stürzt, um hier einen guten Bissen zu erhaschen.
8)Hook heißt Ecke, Winkal, Spitze, Landspitze. Oster ist eine bemerkens- werte niederdeutsche sprachliche Wortform, die durch Anhängung von er an den Stamm ensteht ( Oster, Süder, Wester, Norder ) Wir finden sie bei den Flamen, Friesen, Niedersachsen, Dänen, Normannen und Schweden von den Ooster- und Westerschelde der Flamen bis Söndre Trondhjem und Nordre Trondhjem der Normannen und weiter nordwärts, soweit dort eben Germanen wohnen. Diese Namenbildung ist dem Hochdeutschen durchaus fremd.
#9 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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Neben diesen selbstbewusten Bürgern der Vogelkolonie trifft man auch kleine Leute, die als Spießbürger am Außenrande ein bescheidenes dasein führen. Dahin gehört der Rotschenkel ( Totanus totanus ) der uns zittern- den Fluges mit klagendem Rufe umkreist, ferner der kleine flinke Strand- läufer ( Tringa maritima ) den wir meist gesellig in kleinen Flügen am Wattstrande antreffen, wie er emsig umhertrippelnd nach Nahrung sucht und uns beim Auffliegen sein sauberes, blinkendes Gefieder zeigt, endlich der Uferläufer ( Actitis hypoleucos ) mit seinem braungrauem, grünlich schimmernden Gefieder u. a.
Aber wir müssen es uns hier versagen, dem Leser alle die schönen Bilder und anregenden Beobachtungen zu schildern, die dem Besucher der Vogelkolonie solche unvergeßlichen Genüsse gewähren. Er muß es selbst sehen. ( Zum Be- suche ist eine Erlaubniskarte erforderlich ) Ein noch aus der Kriegszeit stammender Unterstand gewährt mehreren Wärtern Unterkunft, die die ganze Vogelkolonie gegen Eierräubern und Sonntagsjäger schützen.
Wenn wir so durch die Vogelkolonie wandern, sehen wir an vielen Stellen die Überreste von Krebsen und anderen kleinen Seetieren in Knäueln zusammengeballt oder zerstreut auf dem Boden herliegen. Es sind die unverdaulichen Überbleib- sel der Mahlzeiten der Silbermöwe, die sich im Magen zusammenballen und will- kürlich ausgespieen werden. Diese Auswürfe düngen den scharfsandigen, mageren Dünenboden sehr gut, so das wir hier einen üppigen Pflanzenwuchs warnehmen. Diese Bedeutung unserer Seevögel für die Pflanzenwelt der Insel darf nicht unterschätzt werden.
Indem wir nun auf unserem Beobachtungsgange den Südsaum des Dünengeländes erreichen, erblicken wir östlich von uns ein gastliches Dach; es ist ein Bauern- haus, die schon genannte Domäne, der wir jetzt zustreben. Hier können wir von der für Ungeübte etwas beschwerlichen Wanderung durch das Hügelgelände ausruhen und bei Kaffee und anderen Erfrischungen unsere Eindrücke und Beobachtungen noch einmal austauschen. Hier in der Nähe des einzigen Bauernhauses, das die Insel be- herbergt, sehen wir auch, freilich nur im bescheidenem Umfange, wogende Kornfel- der. Denn der weitaus größte Teil der genutzten Landfläche besteht aus Wiesen und Weiden, auf dem namentlich viel Rindvieh ostfriesischen Schlages gehalten wird, das auf den salzhaltigen Grasflächen gut gedeit. Die gesamte nutzbare Landfläche von Ostende und Melkhörn beträgt 130 ha.
Nicht weit von der Domäne liegt der Rettungsboot-Schuppen Langeoog-Ost, dessen Rettungsboot dem des Westendes durchaus ähnlich ist und das Zollgebäude für Ost- ende Langeoog. Weiterhin endigt das Dünengelände in dem kahlen Strande. Hier ste- hen wir am Osterhook. Der Inselsockel setzt sich ostwärts noch in Sandbänken oder Platen fort, auf denen zur Ebbezeit aufragende Schiffstrümmer von traurigen Un- glücksfällen zeugen, bei welcher leider auch so mancher wackere Seemann den Stur- meswogen zum Opfer gefallen ist. Wir stehen hier am Westsaum der Oßumer Balge. Vor uns liegt die Nachbarinsel Spieckeroog mit ihrem kleinen, baumgeschmückten, traulichen Inseldorf.
#10 RE: Langeoog : Die Insel und ihr Seebad von 1927
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e). D i e B e w o h n e r d e r I n s e l.
Die Bewohner der Insel sind Friesen; sie gehören also der nordischen Rasse an. Es sind in der Regel derbe, kräftige Gestalten, mehr groß als klein, aber meist nicht so langschädelig als die benachbarten Nieder- sachsen. Das Gesicht ist von eiförmigen Schnitt oder länglich; die Schlä- fen sind eingezogen; die Nase ist manchmal kräftig ausgeprägt; die Hände und Füße sind meist groß und kräftig. Die Augen sind blau oder grau, das Haar und der Bart sind blond; das Haupthaar ist dabei schlicht, selten leicht gekräuselt. Während der Niedersachse einst von Südosten her in die ostfriesische Halbinsel eingewandert ist, sind die Friesen in vorgeschicht- licher Zeit übers Meer gekommen. Sie haben im Norden die Jüten, im Westen die Flamen zu Nachbarn; mit beiden Stämmen sind sie sehr nahe verwandt. Wenngleich uns nun auch die ältesten Urkunden in friesischer Sprache aus dem äußersten Südwesten des friesischen Küstenstrichs südwestlich von der Zuider Zee überliefert worden sind, so wei- sen uns doch Formen der altfriesischen Sprache deutlich auf den Norden hin. So ist es nicht mehr zweifelhaft, das die Friesen, aus der cimbrischen Halbinsel zu Schiffe auswanderten, von Norden her die südliche Nordseeküste erreicht haben. Nordfriesland wurde dann von ihnen von Süden her am spätesten besiedelt, indem die Friesen sich wieder ihren Ursitzen näherten. Hier am Küstensaum der Nordsee hat der Friese seit Jahrtausenden mit der Nord- see um seinen Wohnplatz gekämpft mit stets wechselndem Erfolge und so ist es ganz natürlich, daß dieser Kampf ihm besondere Wesenszüge aufgeprägt hat. Der Kampf mit dem Meer um seinen Wohnplatz hat in ihm den Sinn für Geselligkeit großgezogen ( der z.B. dem Niedersachsen mit seinem ausgeprägten Sinn für das Einzeltum fast ganz fehlt ); denn der einzelne vermochte in solchem Kampfe nichts, nur der Zusammenschluß ermöglichte den Bau der Warfen und Deiche und ihre Pflege. Bei aller liebe zum stillen, beschaulichen Familienleben erfreut der Friese sich doch auch gern in fröhlicher Zusammenkunft im engeren Freundes- kreise. Ein poetischer Sinn konnte in seiner gefahrvollen Meeresnähe nur schwer- lich gedeihen; den dürfen wir deher bei ihm nicht erwarten. Aber ausgeprägt ist bei ihm der geschichtliche Sinn, die Begabung und Freude des Behaltens und Gedenkens der Tatsachen und Geschehnisse, weshalb dieser Stamm uns eine ganze Reihe trefflicher Geschichtsschreiber geliefert hat. Als Seemann setzt der Friese zur Rettung seiner Mitmenschen aus Seenot ohne Zögern und Bedenken sein Leben aufs Spiel, erwartet aber ebenso selbstverständlich auch von anderen dieselbe Hilfsbereitschaft bei Lebensgefahr.
Beim Deichbau mußte jeder mit zugreifen. So kam es, daß der gleichen Verpflichtung auch sehr bald die Gleichberechtigung folgte d.h. die Standesvorrechte aufgehoben und die Sklaven freigelassen wurden ( 11. Jahrhundert ). So enstand hier, bedingt durch die geographischen Verhältnisse, eine demokratische Verfassung ( d.h. demokra- tisch im edlen Sinne!) , da das stets die Wohnsitze bedrohende Meer den Friesenstamm zu einer einheitlichen Volksmasse zusammenhämmerte. Diese soziale Entwicklung in der friesischen Literatur zu verfolgen, ist für den Geschichts- und Rechtskundigen gleich interessant. Der Kampf um die Scholle hat dem Friesen noch einen anderen Zug aufgeprägt, die treue Liebe zu seiner angestammten Heimat, und Verfasser glaubt nicht, daß der Friesenstamm in dieser Hinsicht von irgendeinem anderen germanischen Bruderstamme über- troffen wird