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Dieses Thema hat 24 Antworten
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 Historisches
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hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


Beiträge: 2.155

11.01.2006 17:39
#11 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen

hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


Beiträge: 2.155

11.01.2006 18:11
#12 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen
Kurz entschlossen dreht der Vormann auf. Er läßt die Segel aufgeien und geht, etwa 15 m vom Steuerbordachterdeck der Bark entfernt, neben dem Achterschiff zu Anker. Eine unglaublich hohe See läuft. Trotz ständigen Ausschöpfens füllt sich das Rettungsboot mehr und mehr mit Wasser. An der Reling des Achterdecks drängt sich die 14köpfige Besatzung des Seglers. Am Heck hängt eins der Boote - die anderen sind offenbar von der See weggeschlagen und zertrümmert worden - in seinen Davits. Mit weißen Buch-staben steht der Name "Paul" und der Heimathafen Pori am Heck der Bark.

Dem Rettungsbootsvormann, der verzweifelt erwägt, wie er diese unglücklichen Menschen - sogar eine Frau steht oben an der Reeling - herunterholen soll, kommt blitzschnell ein Gedanke. Lange kann er hier nicht liegen bleiben, sonst schlägt ihm diese fürchterliche Riffbrandung das eigene Boot randvoll. Aber da hängt doch das offenbar neue, unbeschädigte Boot der Bark. Es ist fast so groß, wie die "Frauenlob". Mit dem könnte man eine Verbindung herstellen, die Besatzung herübernehmen und fortsegeln. Er steht auf, nimmt die Pinne zwischen die Schenkel und hebt die Hände zum Trichter vor den Mund.

„Fiert das Boot weg!" schreit er gegen den Sturm, weist auf das Heckboot und macht mit beiden Armen eine entsprechende Bewegung. Die Menschen an der Reeling oben sehen sich an, schütteln die Köpfe. Sie haben nicht verstanden.

„Lower - that - boat! - brüllt der Vormann.
„Get your boat down!
Fier die Boot dahl!"

Endlich haben sie begriffen. Ein paar Seeleute laufen an die Davits, nehmen die Leinen von den Klampen, andere stellen sich klar zum Fieren (Herunterlassen des Bootes) auf. Drei Mann, darunter ein großer, schlanker, wohl der Erste Maat oder Steuermann der Bark, springen ins Boot. Einer, vorn im Boot, gibt die Fangleine zum Achterdeck, die Schiffbrüchigen fieren, und langsam senkt sich das Boot, klatscht auf die See und stampft hinter dem schön geschwungenen, überhängenden Heck des Seglers heftig in der aufgewühlten See. Im Boot bleibt einer bei der Fang-leine, der Mann in der Mitte hält einen Riemen und der Steuermann ist ans Ruder gesprungen. Sie alle bemühen sich, ihr Boot so nahe an die Bark heranschceren zu lassen, daß die Schiffbrüchigen an Leinen heruntergelassen werden könnten. Vergebens, der außergewöhnlich hohe Seegang, die schweren Brecher, die längs der Bordwände des Seglers heranrasen, schleudern trotz Ruder und Riemen das Boot fortgesetzt 10 m nach jeder Seite.

Todesangst malt sich auf den Gesichtern der Barkbesatzung. Sie erkennen die Unmöglichkeit, auf diese Weise von Bord zu kommen. Im Rettungsboot, wo mehrere Mann ununterbrochen Wasser schöpfen, überlegen sie, wie man wenigstens zunächst einmal diese Drei vom Boot der "Paul" retten könnte.

„Sie müssen zu uns abscheeren, Vater!" sagt Karl Steffens und Jacobs im Boot stimmt ihm zu:
„Müßte gehn, die Fangleine im Boot ist lang genug, meinst Du nicht auch?"

Der Vormann hat den Gedanken sofort aufgenommen:
„Ich scheere auch zu ihnen rüber.

Der Anker hält, er hat gut gefaßt. Gott sei Dank! - Karl, nimm die Wurfleine klar!"

Sie wollen beide Boote mit diesem Manöver so einander näher bringen, daß mit der Wurfleine eine Verbindung hergestellt und die Drei herübergezogen werden können. Ein Längsseitkommen beider Boote verbietet der Seegang, der sie aneinanderschlagen und zertrümmern würde.

Wieder hebt der Vormann die Hände zum Mund:
„Ranscheeren! Get your boat alongside! Wir nehmen Euch über!"
Er macht Zeichen, er winkt, und ruft in Hochdeutsch, Englisch, Friesisch und Küstenplatt den Dreien seinen Plan zu. Eine Weile noch dauert es, dann hebt der Große den linken Arm:
„Got you! Allright!"

Ein Engländer, und er hat verstanden.

hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


Beiträge: 2.155

11.01.2006 18:13
#13 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen

hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


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11.01.2006 18:13
#14 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen
Gleich darauf legt er Ruder. Das große neue Boot scheert nach Steuerbord, die Fangleine strafft sich wie eine Violinseite und kommt in ihrer ganzen Länge triefend aus dem Wasser. Auf der "Frauenlob" läßt der Vormann mit Backbordruder sein Boot nach Backbord ausscheeren. Schon haben sich beide Boote bis auf 5 m genähert, Karl Steffens, breitbeinig im Boot stehend, wiegt bereits die sorgsam in Rundtörns aufgeschossene Wurfleine in der Hand, da geschieht es! Ein Brecher, größer, breiter, wuchtiger als alle anderen, donnert heran, trifft das schräg zur See liegende Boot der "Paul", überrollt es im Nu, daß es kentert und kieloben treibend wieder zurückscheert. Vom Achterdeck der Bark schrillt ein Frauenschrei durch den Sturm. Der Vormann, der im letzten Augenblick den Brecher gerade noch durch hartes Ruderlegen nehmen konnte, obwohl das halb mit Wasser gefüllte Boot dem Steuer nur schwer gehorcht, sieht mit Entsetzen das Unglück und die drei im Wasser treibenden Köpfe.

Hier gibt es nur eins, und Ulrich Steffens weiß es:
„Auf mit dem Anker, Eilts! Schnell!"

Hand über Hand, unterstützt von den Rettungsleuten der vordersten Duchten, holt Jacobs, ständig übersprüht von Gischt, eisigem Seewasser und Salzschaum, mit frostklammen Händen Ankertau und Anker ein. Dann werfen sie auf einen Wink des Vormanns die Riemen in die Dollen und rudern an. Sie brauchen nicht herumzudrehn, was auch in der Brandung unmöglich wäre: Flutstrom und Wind haben genügt, das Boot in der kurzen Zeit, in der der Anker hochgehievt wurde, weit genug zurückzutreiben. Hinter dem gekenterten Boot taucht der Oberkörper des Steuermanns auf, er hält beide Arme hoch und sein „Help! Help!" klingt schauerlich und verzweifelt herüber. Die Rettungsmänner legen sich mit aller Kraft in die Riemen, vergebens; ganz nah schon dem Boot, sackt der Körper des Unglücklichen plötzlich ab und versinkt wie ein Stein. Der zweite treibt, ohne daß sie ihm Hilfe bringen können, mit der Flut schon weit achteraus, auch er wird bald nicht mehr gesehn. Dem dritten, dem es gelang, zum Heck der Bark zu schwimmen, wird eine Leine zugeworfen, die er, angestrengt arbeitend, sich um den Leib knotet. Er wird von den Schiffbrüchigen glücklich zurück an Bord gezogen.

hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


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11.01.2006 18:13
#15 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen


hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


Beiträge: 2.155

11.01.2006 18:31
#16 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen

Der Vormann erkennt, daß er sein Boot, das wieder bis zu den Duchten vollgeschlagen ist, keinen Augenblick länger hier halten kann und darf, wenn er nicht das grausige Schicksal des anderen Bootes teilen soll. Er winkt den Menschen auf dem Achterdeck zu:

„Wir kommen morgen wieder!" ruft er hinauf und zeigt auf die vier Männer, die das Wasser auszuschöpfen versuchen, während die anderen mit kurzen Riemenschlä-gen mühsam das Boot auf der Stelle halten. „We come back tomorrow morning! Klar? Tomorrow morning! Geht in die Masten! Enter the mast, boys! Schnell, eh's zu spät wird! Quickly!"
Sie nicken, lösen sich von der Reeling, einige winken, und dann sehen die Rettungsleute, wie einer nach dem anderen sich über das ständig überflutete Mitteldeck zu den Masten durchkämpft. Der Kapitän steigt mit sechs weiteren Männern in die Großwanten, der Rest hangelt sich trotz der Höllensee, die um Mittel- und Vordeck rauscht, an den Strecktauen zum Fockmast durch und entert dort in die Fockwanten.

„Wir können nicht mehr rankommen!" erklärt der Vormann seinen Männern. „Unmöglich! Müssen nur vor dem Großsegel wieder raus. Laßt die Fock ganz weg, setzt Großsegel!"

Es geschieht. Mit Kurs auf See zu muß die "Frauenlob" noch mehrere Brecher nehmen, dann sind sie, dank der Geschicklichkeit des Vormanns, durch die Brandung und lassen das Boot treiben, um lenzen zu können. Jetzt, kurz vor dem Höchststand der Flut, steht eine haushohe Brandung vor der Einfahrt, und in der Otzumer Balje läuft schwere Grundsee. Der Sturm hat Orkanstärke erreicht und fährt mit schweren, harten Böen über die See. Endlos dauert es, bis das Wasser halbwegs ausgeschöpft ist und auch die Fock wieder gesetzt werden kann. Ein Blick zur Einfahrt des Seegatts zeigt den Männern, daß bei der stark laufenden Flut und der Wut des nun aus Westsüdwest tobenden Sturms, der eine schauerliche Grundsee im Fahrwasser aufwühlt, ein Einlaufen völlig unmöglich sein würde. Sie beraten sich.
„Ankern hinter der Robben Plate" schlägt der Vormann vor, „da liegen wir bei dieser Windrichtung vielleicht einigermaßen geschützt und können an Land waten."

Alle stimmen zu. Mit dicht gerefften Segeln geht die "Frauenlob" auf den neuen Kurs. Zum dritten Male an diesem Tage muß das Boot schwere Sturzseen übernehmen, zum dritten Male greift die grausame See über den Bootsrand und läßt die salzigkalten Wassermassen den schon halb erstarrten Männern um Beine und Unterleib schlagen. Das Boot gehorcht kaum noch dem Ruder, als sie endlich nach stundenlangem Kampf mit der Sturmsee bei beginnender Dämmerung hinter den östlichen Sänden der Robben Plate zwischen dem Riff und dem Nordstrand von Spiekeroog auf seichtem Wasser das Boot vor zwei Anker legen und aussteigen. Der Jüngste bringt eine Leine an Land, mit deren Hilfe sie alle, in Ölzeug und großen Korkschwimmwestcn mühsam watend, glücklich den Strand erreichen.

Sie werfen noch einen Blick auf ihr Boot, das ständig von der Brandung überflutet, schwerfällig stampfend und bis zum Rand gefüllt, die Brecher abreitet. Dann treten sie, völlig durchnäßt und klamm vor Kälte, ihren Marsch zum Dorf an. Sie ahnen nicht, daß ihr Boot, im Lauf der Nacht sich losreißend, bis zur Jade vertreibt, und schließlich bei Eckwarderhörne an den Strand gespült wird - ein Wrack.

Eine Stunde lang stampfen die Erschöpften durch den wehenden Sand, erreichen die Hügelketten der sogenannten Weißen Düne, überqueren sie und schleppen sich todmüde zum Dorf Spiekeroog. Im Gasthof zur Linde, der die wie Seegespenster daherkommenden mit dem freundlichen Schimmer seiner im kahlen Geäst der großen Linde hängenden Laterne begrüßt, werden sie herzlich aufgenommen.

Vormann Ulrich Steffens überträgt die Bergung der "Frauenlob" dem Spiekerooger Vormann Frerichs und gibt die Meldung der Ereignisse des Tages telefonisch an die Rettungsstationen von Carolinensiel - Friedrichsschleuse, Langeoog und Westeraccumersiel. Er bittet sie, am Morgen des nächsten Tages an der Strandungsstelle zu sein. Auch die Angehörigen der Neuharlingersieler Bootsbesatzung werden benachrichtigt. Dann ruft Reeder Eilt Jacobs den Kapitän seines Schillsaugers "Immanuel" in Neuharlingersiel an:
„Hör zu! Du mußt morgen früh um 7 Uhr am Anleger in Spiekeroog sein. Ich komme selbst an Bord. Wir müssen irgendwo klarliegen. Näheres sag' ich Dir morgen. Vier Rettungsboote kommen morgen früh' raus, die Besatzung von der Bark sitzt schon seit gestern Nacht auf ihrem Schiff in der Brandung, die müssen wir übernehmen, sobald es einem der Rettungsboote gelingt, sie zu bergen. Und schick' für unsere Männer das große Motorboot raus, auch an den Anleger hier. Hast Du verstanden? 7 Uhr an der Anlegebrücke von Spiekeroog! Klar?"

Diese Nacht ist die zweite, die die Besatzung der Bark "Paul" schutzlos an Oberdeck bzw. jetzt in den Wanten von Fock- und Großmast überstehen muß. Der Sturm heult, Regenböen fegen strichweise daher, und die eisigkalte Winternacht läßt die Glieder auch der härtesten Männern zittern. Mit dem ablaufenden Wasser der Ebbe flaut der Westsüdwest etwas ab. Er dreht zunächst auf Südwest zurück, um später wieder auf Westsüdwest auszuschießen.
In dieser Nacht geht auf der "Paul" der Großmast über Bord. Mit ihm versinken sieben Männer, unter ihnen der Kapitän und die Steuerleute, in der Brandung des Riffs. Nun sind nur noch eine Frau und sechs Männer auf dem unglücklichen Wrack. Noch steht der Fockmast, in dem die letzten der Schiffbrüchigen unter der Fockrah im aufgegeiten Segel sich Schutz- und Wärme suchend aneinanderschmiegen.


hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


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11.01.2006 18:39
#17 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen

Zwischenspiel

Im Dorf Spiekeroog hat der Vormann Frerichs noch in der Nacht vom 10. zum 11. Februar durch den Vormann und die Männer der "Frauenlob" von deren vergeblichen Rettungsversuch Kenntnis bekommen. Er benachrichtigt seine Bootsbesatzung. Sie soll noch in der Dunkelheit um 5 Uhr morgens zum Boot fahren und sich dort zum Auslaufen klarhalten.

Der Wind, der während der Nacht etwas abflaute, weht immer noch mit Stärke 6 bis 7, als die Rettungsmänner beim Boot ankommen, und es sieht so aus, als ob der Westsüdwest wieder auffrischen wollte. Sie lichten Anker, legen ab und laufen aus.

Schon sehr bald stellt sich heraus, daß die "Alexander" gegen den Sturm das Wrack nur erreichen kann, wenn sie weit hinausgehend aufkreuzt und windwärts Raum gewinnt.

Eine Stunde später macht sich auch Eilt Jacobs, der Reeder, auf den Weg zum Anleger. Den Schienen der Inselbahn folgend, stampft er, den Wind im Gesicht, durch die Nacht. Rechts erkennt er schwach gegen den wolkenverhangenen Himmel die Dünenketten, links breiten sich die flachen Wattweiden, über denen strichweise naßkalter Dunst in langen Schleiern vor dem Westsüdwest dahintreibt. Kein Stern ist zu sehen und der eisige Wind dringt durch Ölzeug, Mantel und Joppe bis auf die Haut.

Als er nach langem Marsch den Anleger erreicht, läuft noch Ebbe, die einen breiten naßbraunen Sandstreifen vor der Brücke freiläßt, zwischen deren Stützbalken und Bohlen das Wasser mit saugendem Geräusch abläuft. Die "Immanuel", ein Dampfschiff mit zwei Gaffelsegel führenden Masten und einem langen dünnen Schornstein, liegt mit der Motorschaluppe zum Abtransport der Neuharlingersieler Rettungsmänner an der Brücke unter Dampf. Der Reeder läßt ablegen und befiehlt dem Schiffsführer, auf eine Position unterhalb der Barre zu laufen, dort zu Anker zu gehn und sich zur Unterstützung der Rettungsboote klarzuhalten.

Cassen Eilts heißt der Vormann des Bootes der Rettungsstation von Westeraccumersiel, einem kleinen Fischerdorf, das an einem Arm des Neuen Tiefs, gegenüber dem Westende von Langeoog, hinter dem Festlandsaußendeich liegt. Ihm meldet der Postagent Johs. Fulfs am Abend des 10. Februar den Fernspruch, den Vormann Ulrich Steffens von Spiekeroog aus für die Station durchgab. Er berichtet über die Strandung der Bark, den vergeblichen Versuch des Neuharlingersieler Bootes und den Plan, am Morgen des 11. die in Frage kommenden Boote bei der Unfallstelle zu sammeln.

Cassen Eilts ordnet das Auslaufen für den nächsten Tag, den 11. Februar, für 05 Uhr morgens an.

Noch ist es stockdunkel, als die Rettungsmänner Johann, Karl und Hermann Wilters, T. und J. Peters, H. Hoffmeister, S. Tenjes, J. Agen, Rudolf Janssen und Arend Wessels sich beim steinernen Rettungsbootsschuppen treffen. Er liegt draußen vor dem winzigen Krabbenkutterhafen an der Westseite des Siels. Der Sturm pfeift um die niedrigen einstöckigen Fischerhäuser. Die kahlen Äste der Bäume vor dem Gasthof an der kleinen Sielschleuse neigen sich. Ober dem roten Ziegeldach des am äußersten Deichzipfel stehenden Fischerhauses dreht sich mißtönend und knarrend die Windfahne: ein unter vollen Segeln dahinrauschender Kutter aus Eisenblech. Gelbes Licht leuchtet aus den weißgerahmten Fenstern der Stuben, in denen die Frauen ihren Männern ein hastig zubereitetes Frühstück aus Speckeiern, Wurst, Brot und Tee reichten. Schwacher Torfrauch weht, waagerecht weggerissen, hier und da aus den Kaminen. Ein Hund bellt irgendwo.

Aus dem weit geöffneten Tor des Schuppens trifft ein Lichtbalken die kurze Ablaufbahn. Das Boot gleitet herab. Der Vormann läßt die Masten aufrichten und die Segel mittschiffs klarlegen. Die eisernen Dollen werden eingesetzt und jeder nimmt seinen Riemen klar.


hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


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11.01.2006 18:42
#18 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen


hasenzahn26 Offline

auf den Cat Wartender


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11.01.2006 19:04
#19 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen
Das Neue Tief, das sich vor den Dörfern Westeraccumersiel und Dornumersiel in zwei Arme teilt, die sich erst weit draußen im Vorland wieder treffen, hat viele Windungen. Es läuft durch das bei Niedrigwasser freiliegende Schlickland zur Accumersieler Balje, dem Fahrwasser zur Accumer Ee, dem Seegatt zwischen Baltrum und Langeoog. Das Boot kann infolgedessen bei der langen Fahrt durch das Neue Tief seine Segel nicht gebrauchen und muß zunächst gerudert werden.

Ein paar Frauen stehen beim letzten Haus auf dem Deich, als die Männer anrudern. Die weiten Röcke flattern um ihre Beine, die Kopftücher wehen im Wind. Langsam verklingt das Rucken der Riemen in den Dollen, als das Boot, die große Krabbendarre an der Westseite des Tiefs passierend, in der Finsternis verschwindet. Draußen in der Accumersieler Balje läßt Cassen Eilts Segel setzen und steuert, die Priele des Watt ausnutzend, quer über die weite Fläche die Otzumer Balje an.

Wie die anderen Vormänner ist auch Martin Janssen, Vormann des Rettungsbootes "E.A. Oldemeyer" der Station Carolinensiel, am Abend des 10. Februar von Spiekeroog aus über Neuharlingersiel über die Strandung und die Absicht, am Morgen des 11. mehrere Boote zur Rettung der Schiffbrüchigen anzusetzen, unterrichtet worden. Das Boot verläßt mit neun Mann am 11. Februar gegen 06 Uhr morgens den Schuppen, der an der Westseite des Wittmunder Tiefs vor dem Fischerhafen dem Sturmsignalmast gegenüberliegt. Der steife bis stürmische Wind, der auf der Fahrt übers Watt bis zur Schillbalje als Gegenwind mit Stärke 6 bis 7 weht, zwingt den Vormann, das Segel zu reffen und zu kreuzen.

Eisig kalt ist die Luft, und die trotz Ölzeug und Korkschwimmwesten entsetzlich frierenden Männer greifen zeitweise zu den Riemen, um warm zu werden. Endlos scheint die Fahrt übers Watt. Kein Feuer weit und breit, nur die schwarzen Besen der Pricken, die das passierende Boot wie höhnische, schräg geneigte Ausrufungszeichen aus der Dunkelheit auftauchen sieht. Die schneidende Morgenkühle vor der Dämmerung, der salzfeuchte harte Wind, und der über den Platen in durchsichtigen Streifen wabernde Dunst läßt die Männer erschauern. Als endlich die graue Dämmerung des Wintertages über das Watt heraufkriecht, die Umrisse der Dünen der langgestreckten Insel Spiekeroog an Steuerbord über dem Dunst sichtbar werden, beobachten sie ein paar Fischkutter, die, von Neuharlingersiel ausgelaufen, die Otzumer Balje ansteuern. Fern, kaum vernehmbar, tönt das harte Pochen ihrer Motoren, vom Wind getragen, herüber.
Mit Tagwerden, gegen 07 Uhr 30, erreicht die "E. A. Oldemeyer" die Otzumer Balje. Das Boot macht gute Fahrt, passiert die zur Unterstützung klarliegenden Neuharlingersieler Fischkutter, ein oder zwei größere Motorschaluppen und den vor Anker gelegten Schilldampfer "Immanuel", und nähert sich schnell den Brechern, die mit rollendem Schwung über die Sände donnern. Der Vormann überlegt. Nordwestlich von ihnen liegt die Bark, von der sie bis jetzt noch nichts gesehen haben, weil es diesig geworden ist. Dort müssen sie hin. Im eigentlichen Fahrwasser der Otzumer Balje, das von dem Wrack wegführt, ist die See zwar etwas ruhiger, aber das Boot würde viel an Luv verlieren, wenn es ihm folgte. Es würde wahrscheinlich nicht ohne zeitraubendes Kreuzen an die Strandungsstelle herankommen. Martin Janssen entschließt sich deshalb trotz der gewaltigen Grundsee, die nun sehr nahe vor ihm liegt, durch die Brandung zu laufen. Wasser hat er durch die jetzt einsetzende Flut genug unterm Kiel, und das Boot ist ein Selbstlenzer, die Männer brauchen nicht zu schöpfen. Seetüchtig ist das Boot auch, wie alle Rettungsboote, und er, der Vormann, ist ein erfahrener Fischer. Er gibt den in Ölzeug und Schwimmwesten im Boot hockenden Rettungsleuten seine Absicht bekannt und hält auf die Branderreihen zu.

Zwar nimmt die "E. A. Oldemeyer" beim ersten Brecher, den sie ansegelt, und bei allen folgen-den, die sie durchsegeln muß, Wasser über und die Männer werden von Schaum- und Gischtflocken völlig durchnäßt. Das Boot kommt jedoch gut voran und hat bald die schlimmsten Grundseen hinter sich. In Lee, nach Osten zu, sichten sie zwei Boote, die mit gerefften Segeln nordöstlich vom Riff über die See tanzen.

„Spiekeroog und Westeraccumersiel!" meint Janssen und grinst. „Die werden im Fahrwasser gesegelt sein, und nun müssen sie dafür aufkreuzen!"

Anderthalb bis zwei Meilen seewärts machen sie den Hochseeschlepper „Roland" aus, der ebenfalls der Bark wegen auslief. Mit wehender Rauchfahne hält er sich draußen außerhalb der Sände in See klar.

Kurz danach kommt auch das, was von der Bark übrig blieb, in Sicht. Das Wrack ist nun völlig vom Wasser überflutet und nur der Fockmast ragt noch aus der röhrenden Brandung. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen schätzt der Vormann den Abstand. Es sind wohl 1000 m und er merkt, daß auch sein eigenes Boot nicht mehr genug Luv hat, um an das Wrack heranzukommen. Der Wind hat erheblich aufgefrischt und die immer stärker auflaufende Flut hält das Boot fast auf der Stelle. Während er noch überlegt, sieht er plötzlich, wie 1500 bis 2000 m westlich ein Rettungsboot, mit einem einzigen, gerefften Segel mit raumem Wind in rascher Fahrt aus dem Dunst tauchend, auf das Wrack zuhält. Es ist das Langeooger Boot.

hasenzahn26 Offline

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14.01.2006 21:32
#20 RE: Katastrophen auf See - die Strandung der finnischen Bark "Paul" Thread geschlossen

Die Rettung

Am 9. Februar liegt der Fischer und Rettungsmann Theodor Döring mit seinem Kutter auf Langeoog-Reede zu Anker. Schon den ganzen Tag wehte es hart. Seit dem Morgen ist der SW auf Sturmstärke gestiegen und nun, um 21 Uhr abends, ist es wohl besser, vorsichtshalber das Ankergeschirr einmal nachzusehen. Zwar ist hier Sandgrund und der Anker hat gut gefaßt; aber: sicher ist sicher! So steigt der Bootsmann gemächlich an Deck und geht nach vorne. Alles in Ordnung.

Als er sich umdreht, sieht er plötzlich weit über die Insel weg im Nordosten eine rote Notrakete in steilem Bogen hochsteigen und verlöschen. Eine zweite folgt und nach längerer Zeit eine dritte - dann nichts mehr. Muß über der Otzumer Balje sein, denkt er, irgend einer ist da bei diesem Sausturm in Not geraten. Ob sie das im Dorf bemerkt haben? Wohl kaum. Jetzt im Winter sitzt um diese Zeit alles in den warmen Stuben oder steht an den Theken der Inselgasthöfe herum. Niemand wird groß auf das achten, was draußen auf See passiert. Aber der Vormann muß es wissen, murmelt Döring. Seufzend holt er das hinter dem Kutter vertäute kleine Beiboot an der Fangleine längsseit, steigt ein und pullt mit den kurzen, mühelosen Schlägen des Berufsseemanns zum Wattstrand. Den Anker schleppt er weit auf den Sand und stampft querfeldein über das Vorland zum Dorf.

Casper Otten ist Vormann des Rettungsbootes der Station Langeoog, und Döring sucht ihn auf. Gegen 23 Uhr meldet er seine Beobachtung. Der Vormann schüttelt den Kopf:
„Nachts können wir bei diesem Wetter nicht auslaufen, Theo. In Neuharlingersiel. haben sie das Rettungsboot, Motorschaluppen, Schleppdampfer und alles mögliche. Damit werden sie morgen früh eingreifen können, wenn es nötig ist. Jetzt nicht. Wir selbst können hier im Augenblick auch beim besten Willen nichts tun."

Telefonisch meldet Otten nach Neuharlingersiel die Beobachtung einiger Notsignale, die sich später nicht wiederholten.

Am Morgen des 10. fegt eine Schneebö mit wirbelnden Flocken vor dem Sturm einher und bedeckt im Nu Dünen, Dächer und Wattweiden mit einem dünnen, fahlweißen Tuch. Der Vormann, dem am Vormittag durch einen Fernspruch von Spiekeroog die Strandung der Bark und das Auslaufen des Neuharlingersieler Bootes über die Postagentur Langeoog gemeldet wurde, geht durch das wilde Gestöber die breite Dorfstraße entlang zu seinem Bootsmann. Den Schnee von der Joppe schüttelnd, tritt er ein:
„Hör' zu, Theo! Wegen dieser Strandung: sie haben mir von Spiekeroog telefoniert. Eine Bark ist auf dem Westerriff aufgelaufen und sitz fest. Schiffbrüchige sind noch an Bord und die Neuharlingersieler sind mit ihrem Boot aus-gelaufen, sie herunterzuholen. Ich wollt' Dir das bloß sagen."
„Meinst Du nicht, wir sollten einen Reiter zum Ostende schicken?" fragt Döring.


„Hat wenig Sinn bei diesem Schneesturm. Erstmal abwarten, was die Neuharlingersieler errei-chen. Wenn es dann noch nötig ist, laufen wir aus."

Der Tag vergeht, nichts weiter wird bekannt. Erst am Abend trifft die Nachricht ein, daß der Versuch mißglückte und gebeten würde, mit dem Boot der Station Langeoog-Ost am Morgen des 11., des folgenden Tages, zur Stran-dungsstelle auszulaufen. Die Rettungsboote von Westeraccumersiel, Carolinensiel und Spiekeroog würden ebenfalls zur Stelle sein. Casper Otten benachrichtigt die Rettungsmänner und den Fuhrunter-nehmer Albers, der Wagen und Pferde für die Fahrt zum Ostende und für den Ablaufwagen des Bootes stellt. Das Boot "Dr. G. Krause" liegt am Ostende der sehr lang gestreckten Insel in einem Rettungsschuppen.

Am Morgen des 11. sammeln sich die Rettungsmänner bei dem mit 4 Pferden bespannten Wagen, den Albers, der Fuhrunternehmer und Jäger, pünktlich an der ge-wohnten Stelle bereit hält. Neben dem Vormann sind es die Rettungsmänner: A. Janssen, J. Wilken, Th. Döring, A. Pauls, O. Leiss sen., H. Otten, H. Kuper sen., der Vater des heutigen Vormanns des Rettungsbootes "Langeoog", und B. Börgmann. Kaum haben sie das Dorf verlassen und traben auf der langen, ungeschützten Straße, die weit von den Dünen längs der Wattweiden zum Ostende führt, als der Sturm sie mit voller Gewalt faßt. Regenböen, untermischt mit Schnee, rasen wie wehende, eiskalte Vorhänge übers Watt heran. Feinkörniger Sand prasselt auf das Ölzeug der Männer, die sich bald, so eng wie möglich zusammengekrümmt, auf den Boden des Wagens legen. Immer wieder muß Albers die Peitschenschnur über den nassen, schweißglänzenden Rücken der Braunen tanzen lassen, die mit wehenden Schweifen und Mähnen im tiefen Sandgeläuft der Straße traben.

Endlich sind sie angelangt. Die schaumnassen Pferde werden aus- und in den schnell herausgezogenen Ablaufwagen eingespannt. Die Rettungsmänner klettern ins Boot, richten den Mast auf und legen Riemen und Segel zurecht.
„Alles klar!" ruft Otten.

Unter Peitschenknall und anfeuernden Rufen wird der Wagen mit dem Boot über den tiefen Sand des Oststrandes in die Ausläufer der Brandung gezogen, umgedreht, und die kurze Ablaufbahn ausgeslipt. Das Boot gleitet hinab. Während die Männer den ersten Ausläufer zum Anrudern ausnutzen und das Boot über die erste heranrollende Brandungswoge bringen, zieht Albers den Kicker aus der Manteltasche, schiebt ihn auseinander und klettert zur nächsten Düne. Mannott, der Fuhrmann, hält die unruhig stampfenden Pferde, die, mit der Hinterhand gegen den Sturm gekehrt, mit den Ohren spielen. Von der Kuppe der Düne beobachtet Al-bers, wie das Boot hochaufbäumend die Branderreihen nimmt und bald hinter sich läßt, das Segel heisst, die Riemen einzieht und mit raunem Wind, schräg geneigt, davonschießt. Den Kieker zusammenschiebend geht er zu seinen Pferden zurück und klopft dem Handpferd anerkennend den nassen Hals.

Der Wind, der den ganzen Morgen über mit Stärke 6 wehte, frischt erheblich auf. Als das Boot seine Fahrt begann, lief noch Ebbe. Allmählich kentert der Strom und die Flut setzt ein. Der Wind schießt von Westsüdwest rechtsdrehend auf West aus und wird schnell stärker. Schon eine halbe Stunde später heult er mit Stärke 7, dann 8 aus Westen. Casper Otten, der Vormann, der, mit dem sicheren Gefühl des Kutterfischers jede Bö ausnutzend, keinen Meter Luv preisgibt, passiert nun die "Immanuel", die sich ebenso wie die Neuharlingersieler Krabbenkutter und ein paar große Motorschaluppen südlich der Barre, des Westerriffs, zur Unterstützung klarhält. Von Deck des Schillsaugers sind die Gläser auf das in langen Schwüngen über die See tanzende Boot gerichtet. Kurz blickt der Vormann hinüber. Drüben reckt sich ein Arm in Richtung des Wracks, eine Stimme schreit gegen den Sturm:
„Dor sünn noch week!" (da sind noch welche!)

Otten brummt zornig vor sich hin und wischt mit der Linken das Spritzwasser aus dem Gesicht, das eine See übers ganze Boot versprühte. Deswegen fahren wir ja hin, denkt er, sonst würden wir doch hier nicht herumtanzen! Dann entdeckt er Eilt Jacobs, den Reeder selber, kenntlich an seiner blauen Schiffermütze mit dem goldenen Abzeichen, sieht wie der den Arm hebt, und hört ihn rufen:
„Foahrt mit Gott!"

„Dat's schon bäter!" (das klingt schon besser), sagt Otten ganz laut, luvt ein wenig an und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf See, Wind und Segel. Weiter geht die Fahrt. Und näher rückt das Wrack, das der Vormann sehr sorgfältig beobachtet. Nur zuweilen, wenn eine besonders grobe See weißmähnig unter dem immer noch stehenden Fockmast hindurchrollte, erscheint hinter ihrem dunkelgrünen mächtigen Rücken hier und da noch ein Stück des völlig vom Wasser überrauschten Schiffskörpers: ein Teil des Vorschiffs mit dem Gangspill, Niedergänge zum Mittelschiff und das erhöhte Achterdeck mit dem breiten Heck. Nur der einsame Mast, der zwischen den Brechern mit dem Spinnweb seines Takelwerks, den langen Rahen und aufgegeiten Segeln aufragt, trotzt noch den Gewalten.

An der Luvnock, dem dem Winde zugekehrten Ende der Fockrah, angeklammert an das von der darüber hängenden Marsrah herabkommende Marsgeitau, steht eine Gestalt. Schlank und klein, das von Frost rote Gesicht dem näher kommenden Boot zugekehrt. Ein Junge ist es, dessen Haar wild im Sturm flattert, und der nun, die Linke vom Geitau lösend, winkt.

„Ein Junge!" ruft der Vormann den Männern zu. „Und aus dem Segeltuch unter der Rah recken sich Köpfe!"
Schnell überblickt er die Lage beim Wrack. In Lee, an der Steuerbordseite der "Paul", wo gestern noch das Neuharlingersieler Boot seinen Versuch machen konnte, ist ein Herankommen heute unmöglich. Die haushohen schweren Brecher der Brandungssee und das neben dem Schiff treibende Holz und Takelwerk der über Bord gegangenen Masten verhindern das. Ich muß in Luv herangehn, überlegt Otten, so unseemännisch das sonst auch ist. Geht nicht anders: Anker weg, Verbindung aufnehmen. Vielleicht glückt es. Viel Zeit ist nicht mehr zu verlieren, sie sind dem Wrack schon bedenklich nahe gekommen. Den Rettungsmännern seine Absicht zubrüllend, läßt er das Boot in Luv des Wracks aufdrehen, gleichzeitig das Segel aufgeien, 15 m vom Wrack entfernt den Anker werfen und ein langes Stück des Ankertaus ausstecken. Mächtig stampfend steht "Dr. G. Krause" auf der Stelle, wird von See und Flutstrom zurückgesetzt und geht achteraus. Das Ankertau strafft sich, ein Ruck: der Anker hat gefaßt und hält. Erleichtert zeigt der Bugmann vorn auf der vordersten Ducht mit der Linken klar und belegt das Ankertau. Das Boot liegt nun sicher, wenn es auch bei dem ruckweisen Stampfen Wasser übernimmt und alle völlig durchnäßt werden, sobald ein Brecher, am Boot vorbeischäumend, Salzwasser und Gischt über Boot und Besatzung schleudert. Th. Döring, der Schotmann, läßt aus einem Kanister Öl außenbords tropfen.
„Wurfleine!" schreit Otten.

Jemand nimmt die Wurfleine klar, richtet sich, beim Arbeiten des Bootes stolpernd, auf und steht breitbeinig, einen Fuß vorgesetzt und mit Hüften, Knien und Beinen das tolle Tanzen des Bootes ausbalancierend, klar.

Der junge auf der Rah - wie sich später herausstellt, der Schiffsjunge und Sohn des Kapitäns - hat die Manöver genau verfolgt. Er spricht zu seinen Kameraden, die bisher im Segeltuch halb verborgen und an der Rah festgebunden hingen. Sie, die ohne Trank und Nahrung nun zwei grausige Nächte über sich ergehen ließen, richten sich auf, klimmen auf die Rah und klammern sich an die Jeckstagen. Bleiche Gesichter, denen die Haare wirr in die Stirnen hängen, starren auf das auf und nieder stampfende Rettungsboot.

Eine Frau und sechs Männer zählt der Vormann. Aber es wird Zeit, lange kann er hier nicht liegen bleiben, es muß etwas geschehen, sofort geschehen. Der Mast kann jederzeit brechen, das Ankertau seines Bootes bei der ungeheuren Beanspruchung, dem dauernden Einrucken, durchscheuern. Er sieht hinauf, preit (schreit) den Jungen an, und weist auf den mit der Wurfleine klarstehenden Rettungsmann. Der da oben zeigt verstanden. „Ein tüchtiger Bengel", denkt Casper Otten, „der einzige, der noch Leben und Widerstandswillen zeigt!"

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